Der Nichtbeachtung folgen Beziehungen

Akademieabend: 1965 – Diplomatische Beziehungen zu Israel

v.l.: Gunter Geiger (Akademiedirektor), Jana Nathalie Burg (Hessische Landeszentrale für politische Bildung) und Alfred Wittstock (Referent).
Fotos: privat

10.06.2025 / FULDA - Ein Neuanfang mit Deutschland nach der Katastrophe – hebräisch "Shoah" – für viele Menschen in Israel ist das in den Jahren nach 1945 nicht mehr möglich. Doch 20 Jahre nach Kriegsende nehmen die Bundesrepublik und Israel diplomatische Beziehungen auf. Alfred Wittstock (Mainz) skizzierte bei einem Akademieabend den schwierigen Weg dorthin. Er fand im Rahmen der Ringvorlesung der Katholischen Akademie Fulda und der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung statt.



Akademiedirektor Gunter Geiger erinnert in seiner Begrüßung daran, dass sowohl die beiden deutschen Staaten wie auch Israel im Jahr 1949 gegründet – vier Jahre nach Kriegsende und der Befreiung der Menschen in Auschwitz und anderen Orten der Shoah.

Alfred Wittstock beschrieb die Jahre zwischen Kriegsende und 1965 und teils darüber hinaus als ein "Verhältnis der gegenseitigen Nichtbeachtung". In Deutschland wurde über die Zeit des Nationalsozialismus und den Holocaust in weiten Teilen der Bevölkerung geschwiegen. Es ging ums Überleben beziehungsweise Aufbauen. Viele Flüchtlinge mussten ein neues Zuhause finden.

Auch in Israel wurde über die Shoah eher geschwiegen. Es war ein Trauma. Vor allem aber standen seit seiner Gründung die arabischen Nachbarn Israel feindlich gegenüber. Zudem es gab zwischen 1949 und 1952 mehrere Einwanderungswellen von Menschen aus dem Jemen, Marokko und dem Irak. Erst der Prozess gegen den Nazi-Schergen Adolf Eichmann 1960/61 in Jerusalem rückt das Thema der Shoah ins Bewusstsein der breiteren Öffentlichkeit.

1951 fällt zum ersten Mal der Begriff "Wiedergutmachung". 1952 wird dazu das Luxemburger Abkommen unterzeichnet. In Israel wird von "Zahlung" gesprochen. Einige nennen es "Blutgeld aus der Nation der Mörder". Die Sachleistungen in Form von Lokomotiven, Schiffen oder Turbinen helfen beim Aufbau Israels. Das heißt auch, dass Techniker ins Land kommen. Außerdem geht es nach dem Motto "Panzer statt Diplomaten" um Waffenlieferungen angesichts der Bedrohungssituation in Israel. Und die werden geliefert – aber im Geheimen.

Fünf Jahre vor der Aufnahme diplomatischer Beziehungen sind es zwei ältere Männer, die sich 1960 in einem New Yorker Hotel treffen: Bundeskanzler Konrad Adenauer und David Ben-Gurion. Beide konnten von ihrer Herkunft kaum unterschiedlicher sein. Ben-Gurion war ein Sozialist und Zionist, Adenauer dagegen ein katholisch sozialisierter Rheinländer. Das Foto von ihrer Begegnung aber legt nahe, dass beide sich gut verstanden. Auch hier konnte Wittstock seine Ausführungen mit historischen Fotoaufnahmen unterlegen. Am 10. Mai 1965 ist es dann Kanzler Ludwig Ehrhard, der diplomatische Beziehungen zu Israel durchsetzt. Der neue Botschafter in Israel sieht jedoch bereits bei seiner Fahrt vom Flughafen nach Jerusalem, dass ihm vieles entgegengebracht wird – nur keine Zustimmung.

Sechs Jahrzehnte später 2025 hat sich in Israel alles geändert. Mit dem Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 ist "nichts mehr, wie es zuvor war, so der Referent. Vor allem das Wissen, in Sicherheit zu leben – nach der Shoah – ist erschüttert.

Und in Deutschland? Geiger verweist auf eine Studie, die zeigt: Der Antisemitismus in Deutschland war nie weg. Der Pädagoge Wittstock fügt hinzu: "Was ist mit all dem Einsatz zur Überwindung des Antisemitismus in den vergangenen Jahren? Vielleicht hat das Erreichte nicht so lange gehalten, wie wir gedacht haben. Es braucht wahrscheinlich eine neue Diskussion und neue Wege. Das geht alle etwas an."

Die nächste Ringvorlesung befasst sich am 10. Juni um 19 Uhr mit der "Schlussakte von Helsinki" (1975) (pm/mp) +++

Alfred Wittstock

1960 in einem New Yorker Hotel treffen sich Bundeskanzler Konrad Adenauer und David Ben-Gurion

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