Kriegsende, Befreiung, Neuanfang

Demokratie lebt vom Mitmachen - Ausstellungseröffnung im Kaufhaus Karl

Ausstellungseröffnung am Donnerstag im Kaufhaus Karl
Fotos: Henrik Schmitt

09.05.2025 / FULDA - In diesen Tagen lesen und sehen wir viel über den 8. Mai 1945. In aller Regel liegt der Fokus aber auf Deutschland oder Berlin. Umso wichtiger und schöner, dass die Stadt Fulda eine Ausstellung konzipiert hat, die sich dem Kriegsende in Fulda widmet. Regional, lokal, städtisch – denn nicht alles, was für diesen Tag und Deutschland zutraf, galt auch in Fulda.


Der 8. Mai war in Fulda schon am Gründonnerstag

In nicht einmal drei Monaten hat es Kulturamtsleiter und Stadtarchivar Dr. Thomas Heiler geschafft, eine Ausstellung zu konzipieren, die sowohl komprimiert, intensiv als auch unterhaltsam ist. Zurecht erhielt er von den Gästen der Eröffnung dafür großen Beifall. Die Ausstellung widmet sich einem Jahr – von 29. März 1945 bis zum 26. Mai 1946, also vom Einmarsch der Amerikaner in Fulda bis zur ersten Stadtverordnetenversammlung.

Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld eröffnete die Ausstellung mit Dankesworten – an Dr. Heiler (Konzeption) und Reinhilde Binsteiner vom Studio Frost (Gestaltung), an die Teams des Kulturamtes und des Vonderau Museums und an Herrn Ohnesorge (Leihgeber). Er dankte den vielen Stadträte und Stadtverordneten: "Wie wären glatt beschlussfähig", freute sich der OB. Auch zwei Zeitzeugen waren anwesend, Karl Liebert, der langjährige Ortsvorsteher von Sickels, und Gottfried Hartmann, Ehemann von Stadtverordnetenvorsteherin Margarete Hartmann, die das Kriegsende in Fulda beide als Kinder erlebten. Im Konzeptkaufhaus Karl’s fand die Ausstellung zudem auf historischem Boden statt, denn hier stand bis 1953 das Amerikahaus, in dem die Besatzer den Fuldaern ihre Kultur, v.a. aber die Demokratie nahebrachten.

Geschichte aus dem Abstrakten herauslösen

"Der 8. Mai ist in vielerlei Hinsicht ein denkwürdiger Tag", so der Oberbürgermeister. "Der Tag gibt uns den Auftrag, uns zu erinnern und die Geschichte vor dem Vergessenwerden zu bewahren. Er erinnert uns aber auch daran, dass Demokratie nicht selbstverständlich ist. Wir sollten uns immer fragen, was wir selbst dazu beitragen." In der kollektiven Erinnerung habe der 8. Mai viele Wandlungen erfahren. Bundespräsident Richard von Weizäcker setzte mit seiner Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes einen neuen Akzent, indem er den 8. Mai als Tag der Befreiung von einem verbrecherischen Regime würdigte, aber auch klarstellte, dass es ein Tag sei, in Trauer aller Toten zu gedenken und des Leids, das Menschen erduldet hätten. Wir heutigen sähen den Tag naturgemäß anders als die Menschen, die ihn erlebt hätten.

Die Aufgabe des Erinnerns sei heute wichtiger als je zuvor, weil die Gesellschaft sich verändert habe, so der Oberbürgermeister. "Aber auch wer keine deutschen Wurzeln hat, soll verstehen, dass diese dunkle Zeit Teil der deutschen Identität ist." Freiheit, Frieden, Demokratie und Menschenwürde – das sei die Aufgabe, die von diesem Tag ausginge. "Der 8. Mai war für uns die Chance zum Neubeginn, aber er bleibt auf immer verbunden mit dem 30. Januar 1933". Oberbürgermeister Dr. Wingenfeld zitierte Winston Churchill, der die Arglosigkeit mancher Demokraten mitverantwortlich machte für die Entwicklung in den 1930er Jahren – und dahin dürfe es nie wieder kommen.

Spiegelungen der Weltgeschichte im Kleinen

In seiner Einführung zur Ausstellung betonte Dr. Heiler, dass für ihn als leidenschaftlichen Historiker besonders spannend gewesen sei, wie sich die große Weltgeschichte hier im Kleinen und Lokalen widerspiegele. "Es hat keine Stunde Null gegeben, es gab viele Kontinuitäten, gute wie schlechte. Die Herausforderung war, aus sog. ‚Flachware‘ etwas Anspruchsvolles zu machen", so Heiler – er muss sich keine Sorgen machen, das ist hervorragend gelungen! Verständlicherweise werden im Karl’s keine Originale hinter Glas gezeigt, sondern Dokumente und Fotos sind auf großen Tafeln anschaulich aufbereitet worden.

"Geschichte lebt ja nicht von Fakten, sondern von Bildern und Erzählungen", so Heiler. Wenn wir heute an die Nachkriegszeit dächten, dann fielen uns bestimmte Bilder ein. So etwa das Hissen der Roten Fahne auf dem Reichstag, obwohl das ein zwei Tage später nachgestelltes Foto war. Oder die sich hartnäckig haltende Legende, der damalige Oberbürgermeister Dr. Danzebrink sei mit einem weißen Betttuch durch die Stadt gelaufen, um sie den Amerikanern kampflos zu übergeben. Es habe auch keine Trümmerfrauen gegeben, wohl aber viele Menschen, die dabei halfen, die Trümmer zu beseitigen. "Und die Amerikaner haben nicht nur lächelnd Schokolade und Chewing Gum verteilt, gerade am Anfang waren sie eine sehr strenge Besatzungsmacht", so Dr. Heiler. Ein beeindruckendes Beispiel dafür hängt in der Ausstellung, der Brief des amerikanischen Majors Russky an Bischof Johann Baptist Dietz, der sich über Einquartierungen und Beschlagnahmungen beschwert hatte. Russky antwortete ihm darauf am 01. August 1945, man sei nicht hier, um den Deutschen freundschaftlich die Hand zu reichen, sondern als Besatzungsmacht, die verhindern werde, dass je wieder Krieg von deutschem Boden ausginge. "Rauhe Töne aus Amerika gab es also schon vor 80 Jahren", schmunzelte Dr. Heiler.

Der Aufruf von Fuldas erstem Nachkriegs-Oberbürgermeisters Erich Schmid gilt auch heute: Bringe Dich ein, mach was. Denn Demokratie kommt vom Mitmachen, nicht vom Zuschauen. Die 15 Kapitel der Ausstellung laden zur nachdenklichen Auseinandersetzung ein und werfen Schlaglichter auf bedeutende Ereignisse jenes fuldischen Jahres zwischen Mai 1945 und Mai 1946. Die kostenlose Ausstellung ist noch bis zum 18. August im Karl’s zu sehen. (Jutta Hamberger) +++

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