Erinnerung als Verantwortung
Bischof Gerber feiert Friedensgottesdienst zum 8. Mai im Fuldaer Dom
Fotos: Rene Kunze
09.05.2025 / FULDA -
Die Auseinandersetzung mit der Geschichte ist schmerzhaft, aber Voraussetzung dafür, Zukunft gestalten zu können. Dies betonte Bischof Dr. Michael Gerber während eines Gedenkgottesdienstes im Fuldaer Dom anlässlich des 80. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa. Der Gottesdienst war Teil eines Aktionstages zum Gedenken an die Opfer des Krieges und der Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten.
Bereits Ende April hatte Bischof Gerber diesen Gedanken in einer bewegenden Gedenkfeier in der KZ-Gedenkstätte Dachau formuliert. Dort hatte er als stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz die Predigt gehalten, als rund 1.400 Gläubige mit einem Gottesdienst an die Befreiung des Konzentrationslagers in der Nähe von München vor 80 Jahren erinnerten.
Herausfordernd, aber notwendig
Gerber betonte, dass die Auseinandersetzung mit der Geschichte zwar herausfordernd sei, aber Voraussetzung dafür, langfristig Verantwortung zu übernehmen und aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. "Als Deutsche haben wir in den vergangenen 80 Jahren erfahren, wie schmerzhaft es ist, sich dieser Vergangenheit zu stellen", betonte Gerber. "Als Kirche lernen wir in diesen Jahren angesichts der unzähligen Taten sexualisierter Gewalt erneut, wie schmerzhaft es ist, sich dieser Realität zu stellen." Erinnerung und Empathie
Eindringlich warnte der Bischof am Donnerstag im Fuldaer Dom auch vor dem Umschreiben der Geschichte und dem Verlust von Empathie. "Als Christen müssen wir wachsam sein, wenn – wie seit längerem in Russland und jetzt auch in den USA – Geschichte umgeschrieben wird, wenn insbesondere die Geschichte der Unterdrückung von Minderheiten ausgeblendet wird", erklärte er. Dies könne ein erster Schritt zum Verlust von Empathie gegenüber diesen Gruppen sein und somit der Beginn von neuen Formen der Diskriminierung."Wir gedenken heute derjenigen, die aufgrund ihrer politischen Überzeugung oder aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, als Angehörige der Streitkräfte oder als Geflüchtete verfolgt und gedemütigt wurden und zu Tode kamen", sagte Bischof Gerber. Besonders hob er die Opfer der Shoa und der Euthanasie hervor und erinnerte an die systematische Vernichtung von Juden, Sinti und Roma, Menschen mit Behinderung, Bürgerinnen und Bürgern der Völker Osteuropas sowie gleichgeschlechtlich Orientierten.
Befreiung durch Alliierte
Aufruf zum Engagement
Bischof Gerber rief dabei auch jede Einzelne und jeden Einzelnen zu freiwilligem Engagement und persönlichem Einsatz für den gesellschaftlichem Zusammenhalt auf. "Eine lebenswerte Gesellschaft braucht eine kritische Masse an Menschen, die mehr in das Gemeinwohl investieren, als der Staat gesetzlich von ihnen einfordern kann", sagte er.Der Bischof ermutigte die Anwesenden, sich in demokratischen Parteien und im Ehrenamt zu engagieren, um eine lebenswerte Zukunft mitzugestalten: "Unser sozialer Zusammenhalt lebt von freiwilligem Engagement: Hier sind gerade wir Christen gefragt, jetzt, in dieser Situation, angesichts all der Spannungen und Polarisierungen."
Aktionstag in Fulda
Der Friedensgottesdienst wurde musikalisch gestaltet vom Fuldaer Jugendkathedralchor unter Leitung von Franz-Peter Huber, an der Orgel spielte Ulrich Moormann. Der gesamte Aktionstag in Fulda wurde als Teil der Erinnerungskultur maßgeblich gestaltet von verschiedenen katholischen Verbänden und der Katholischen Akademie des Bistums Fulda. Er begann um 10 Uhr auf dem Universitätsplatz mit interaktiven Ständen und unterschiedlichen Aktionen. Um 16 Uhr fand dort eine Podiumsdiskussion statt, an der auch Bischof Gerber teilnahm. Den Abschluss bildete ein Open-Air-Konzert mit Judy Bailey um 19:30 Uhr auf dem Universitätsplatz. www.bistum-fulda.deBischof Gerber im Podcast: Bewegendes Gedenken in Dachau
Gut zwei Wochen vor dem Aktionstag in Fulda hat Bischof Dr. Michael Gerber als stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz an einer bewegenden Erinnerungsfeier in Dachau teilgenommen. In seiner Predigt anlässlich der Befreiung des Konzentrationslagers in der Nähe von München vor 80 Jahren betonte er die zentrale Rolle des Erinnerns für die Zukunft und die Versöhnung zwischen den Nationen.In einer aktuellen Folge des Bistums-Podcasts berichtet Bischof Gerber nun sehr eindrücklich über die Gedenkfeier in Dachau, seine persönliche Verbindung zu dieser KZ-Gedenkstätte und die Bedeutung solcher Gedenktage in einer Zeit, in der die letzten Zeitzeugen versterben. Der Podcast ist auf dem YouTube-Kanal und der Website des Bistums Fulda verfügbar. www.bistum-fulda.de (pm/ci)+++