"Medizinische Versorgung mangelhaft"
Björn-Steiger-Stiftung will Reform des deutschen Rettungsdienstes einklagen
Erste Reihe zweiter von rechts: Pierre-Enric Steiger - Präsident der Björn Steiger Stiftung, Mitte: Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery - Ehrenpräsident der Bundesärztekammer und Mitglied des Präsidialrats der Björn Steiger Stiftung
Fotos: Björn Steiger Stiftung/„axentis/Lopata“
13.03.2025 / KARLSRUHE -
In akuten Notfällen vertrauen wir darauf, dass Rettungsdienst und Notarzt so schnell wie möglich zur Stelle sind, um die medizinische Erstversorgung zu übernehmen. Doch es kommt dabei zu großen Unterschieden innerhalb Deutschlands. Die Björn-Steiger-Stiftung, die sich für eine Verbesserung des Rettungswesens einsetzt, beurteilt die Notfallversorgung in Deutschland als mangelhaft und dringend reformierungsbedürftig. Deshalb hat die Organisation jetzt eine entsprechende Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht, um dadurch eine Verbesserung und bundesweit einheitliche Standards im Rettungswesen zu erreichen.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Bundesrepublik Deutschland und exemplarisch für alle Bundesländer gegen das Land Baden-Württemberg. "In politisch turbulenten Zeiten, in denen Zusammenhalt geboten ist, ist die Verfassungsbeschwerde als Mittel zum Zweck und alternativloser Weg zu sehen, systemische Missstände im Rettungsdienst zu beseitigen", schreibt die Stiftung in einer Pressemitteilung.
"Täglich sterben systembedingt Menschen, obwohl das vermeidbar wäre!"
"Seit Jahren bemängeln wir, dass das Rettungswesen in Deutschland deutlich hinter den internationalen Standards zurückbleibt. Mehr noch: Systembedingt sterben täglich Menschen, obwohl dies vermeidbar wäre, und unseren hochqualifizierten Rettungskräften sind die Hände gebunden. Dieser Zustand ist unerträglich, vor allem vor dem Hintergrund, dass die anhaltende politische Diskussion in den letzten zwanzig Jahren keinerlei echte Verbesserungen gebracht hat. Deshalb haben wir uns für den letzten möglichen Weg der Verfassungsbeschwerde entschieden", erklärt Pierre-Enric Steiger, Präsident der Björn Steiger Stiftung.
Das Rettungswesen befinde sich seit Jahren in einer lebensbedrohlichen Systemkrise: Die Fallzahlen der Notrufe seien stark gestiegen, der Rettungsdienst werde jedoch häufig durch Einsätze in nicht lebensbedrohlichen Fällen blockiert, sodass er für echte Notfälle nicht verfügbar ist. Die Länge und Berechnung der Hilfsfristen – wann also ein Rettungswagen nach Absetzen des Notrufs eintreffen muss – würden unterschiedlich gehandhabt und es gebe erhebliche Qualitätsunterschiede in der geografischen Fläche sowie zwischen Stadt und Land.
"Aus medizinischer Sicht ist es inakzeptabel, dass der Bund seiner Verpflichtung, einen einheitlichen Rettungsstandard vorzugeben, immer noch nicht nachkommt. Für das Krankenhaus und den ärztlichen Bereich gibt es diese Vorgaben, für das Rettungswesen nicht. Es kann nicht sein, dass Menschen je nach Wohnort unterschiedliche Überlebenschancen haben. Es muss eine Qualitätssicherung für Ärzte und Patienten geben, die nicht an den Grenzen der Bundesländer scheitert", sagt Frank Ulrich Montgomery, Ehrenpräsident der Bundesärztekammer und Mitglied des Präsidialrats der Björn Steiger Stiftung.
Die desolate Organisation und Ausstattung des Rettungsdienstes seien auch für die Mitarbeitenden nicht mehr zumutbar. Deshalb klagten außer der Stiftung neben betroffenen Bürgern auch Notärzte, denen die Zustände nicht mehr zumutbar seien. Infolge derzeitig bestehender Defizite erlitten Notfallpatienten real erhebliche Eingriffe in ihre Gesundheit und häufig eine Verschlechterung ihres körperlichen Zustandes bis hin zum Tod. Ein Beispiel ist die viel zu lange Hilfsfrist, bis der Rettungsdienst nach dem Anruf bei den Patienten sei: Jede Minute länger verschlechtere die Überlebenschancen dramatisch.
Ob sich das Bundesverfassungsgericht tatsächlich mit der Beschwerde auseinandersetzt, ist offen. Das höchste deutsche Gericht befasst sich nur mit einer Verfassungsbeschwerde, wenn das Thema als verfassungsrechtlich relevant eingestuft wird.
Über die Björn-Steiger-Stiftung
Die Stiftung mit Sitz in Winnenden bei Stuttgart wurde 1969 nach einem tragischen Verkehrsunfall gegründet: damals verloren Ute und Siegfried Steiger ihren Sohn Björn, weil es in Deutschland noch keinen flächendeckenden Rettungsdienst gab. Die Organisation setzt sich seit Jahrzehnten für die Verbesserung des Rettungsdienstes ein und war wesentlich an der Einführung der bundesweiten Notrufnummer 110/112 beteiligt.(ci)+++