Räumungsverkauf

"Der Zug ist abgefahren": Modellbauland verliert gegen Internet und Handy

Wolfgang Bohn (rechts) mit Modellbau-Fan Martin Gass aus Bad Brückenau, der auf der Suche nach Schnäppchen ist
Fotos: Marius Auth

14.02.2025 / FULDA - An der Schaufensterscheibe des Modellbaulands beim Gemüsemarkt in Fulda haben sich jahrzehntelang Kinder ihre Nasen plattgedrückt. Inzwischen sind auch deren Kinder nicht mehr für Märklin und Piko zu begeistern - Ende des Monats wird deshalb geschlossen.



Wolfgang Bohn steuert den Zug in der Schaufensterauslage ganz klassisch mit dem analogen Trafo. Langsam surrt das Modell im Kreis - lange Regale voll mit winzigem Zubehör vom Busch bis zum Backsteinhaus zeigen, was noch so möglich ist und was die Faszination Eisenbahnmodellbau für Generationen ausgemacht hat: "Es ist eine eigene Welt, die man da zusammenstellt, im Hobbykeller oder Wohnzimmer. Und heute kann jedes Detail kontrolliert werden: Leuchtdioden, Annäherungssensoren und komplett computergesteuerte Abläufe lassen die Kulisse lebendig werden, miniaturisierte Kameras vorne an der Lok erlauben es, quasi mitzufahren", erklärt Bohn, der vor acht Jahren den Laden von Hans-Joachim Glebe übernommen hat, der ihn mehr als 30 Jahre geführt und zur festen Anlaufstelle für Fans aus ganz Deutschland gemacht hatte.

Leidenschaft ist dramatisch eingebrochen

Inzwischen hat Sohn Dominik übernommen - aber genau diese Generationenübergabe funktioniert gesamtgesellschaftlich nicht mehr so häufig wie früher, meint Bohn. Die Leidenschaft für den Eisenbahnmodellbau ist dramatisch eingebrochen: "Ich war früher selbst Kunde hier - und da war es schon der einzige echte Modellbauladen im Umkreis von 100 Kilometern. In den Achtzigerjahren gab es dagegen allein in Fulda sieben Anlaufstellen für Eisenbahnmodellbaufreunde." Die Coronajahre hätten einen Umsatzschub gebracht - "aber die Leute haben sich dadurch auch noch mehr an den Interneteinkauf gewöhnt. Heute kommt ab und zu jemand in den Laden, schaut sich die Modelle an und zückt dann das Handy, um direkt im Internet zu kaufen." Seitdem ein Modellbauladen im thüringischen Meiningen vor eineinhalb Jahren geschlossen hat, kommt die Ü50-Klientel auch von dort nach Fulda, aber die Umsätze sind trotzdem zu niedrig, klagt Bohn:

"Der Vermieter wollte sogar noch mit der Miete heruntergehen, aber es bringt ja nichts, wenn der Junior sich in Schulden stürzen muss. Deswegen schließen wir das Modellbauland Fulda - bis Ende Februar ist Räumungsverkauf und es gibt 20 Prozent auf alles." Martin Gass aus Bad Brückenau stöbert durch die Regale und ist genau deswegen gekommen. Modelleisenbahnen sind seit 50 Jahren sein Hobby, bei den Eisenbahnfreunden Sinntal wird fachgesimpelt - dort hat er auch vom Ende des Traditionsladens in Fulda erfahren: "Mein Sohn ist 25, den habe ich von klein auf an die Materie herangeführt. Aber es fehlt einfach der Nachwuchs."

Zielgruppe stirbt aus

Monika Mannel aus Fulda-Niesig kommt mit einem vergilbten Karton in den Laden. Bei einer Haushaltsauflösung sind echte Eisenbahnschätze gefunden worden - "aber auch mein Ehemann will damit nicht spielen. Deswegen gebe ich das hier in bessere Hände." Bohn kennt noch wesentlich bessere Zeiten: "Früher hatten wir Kunden, die bis zu 15.000 Euro im Jahr für dieses Hobby ausgegeben haben. Bei der Traditionsmarke Märklin gibt es den Märklin-Club, die bringen jedes Jahr besondere Lokomotiven heraus - und viele Kunden wollen dann das komplette Modellumfeld dazuhaben. Das läppert sich schnell. Nach Geschäftsschluss mache ich immer noch Hausbesuche bei Kunden in der Region, um nach dem Rechten zu sehen - gerade mit der Elektronik haben es viele nicht so. Da gibt es Sammler, die mehr als 1.000 Lokomotiven im Haus herumstehen haben. Aber die Zielgruppe stirbt einfach aus." (mau) +++

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