Ein Kommentar von Walter Kell

Null Respekt: Die Spezies Fußball-Trainer verliert zunehmend an Wert

Zejlko Karamatic
Archivfoto: Jonas Wenzel/yowegraphy

25.05.2023 / OSTHESSEN - Eigentlich wollte ich schon viel früher raus mit der Sprache. Das jüngste Beispiel aber ließ mir keine Wahl mehr. Und um allen Widersprüchen und den handelnden Personen, die an den Prozessen einer Entlassung von Fußball-Trainern beteiligt sind, vorzubeugen: Meine Gedanken richten sich nicht gegen die genannten Vereine, nicht gegen kommende und schon gar nicht gehende Coaches - vielmehr sind sie ein Appell an die Menschlichkeit. An Ehrlichkeit, Umgang miteinander und Respekt. Und an dessen Ende muss man sich die Frage stellen: Was ist die Gattung Fußball-Trainer noch wert? Welchen Stellenwert hat sie im Zirkus Fußball?


Mit "jüngstem Beispiel" meine ich natürlich jenes von Germania Fulda, das seinen ahnungslosen Trainer Timo Peikert entließ. Einfach so. Es ist schlimm, dass Peikert diesen Tatbestand nicht einordnen konnte, nicht wusste, was er getan oder nicht getan, geschweige denn, sich zuschulden hatte kommen lassen. Nur die 1:3-Niederlage im Stadtderby gegen Borussia? Gut, die Meisterschaft war futsch - der Aufstieg in die Kreisoberliga ist aber über die Relegation immer noch möglich. Vermutlich wollte der Traditionsverein vom Gallasiniring die Mannschaft mit einem "neuen Impuls" motivieren, ihr einen Anschub verleihen. Neue Kräfte freisetzen, wie es landauf, landab heißt. 

Eine Integrationsfigur kommt - Traum vom Bruder-Duell

Jetzt kommt Zejlko Karamatic. Eine Integrationsfigur früherer Tage, der so manches Tor an der Traditionsstätte schoss - und mir, nachdem er für Germania kickte, aus Asbacher Glanzzeiten bestens bekannt ist. Fraglos eine gute Lösung - und wenn man träumen darf, sich wenige Tage zuvor mit seinem jüngeren Bruder Marko, der Borussia coacht, ein reizvolles Duell an der Seitenlinie "geliefert" hätte. Was aber ist, wenn Germania der Aufstieg über die Relegation nicht gelingt? Macht ja nichts, wird der Verein sagen, haben wir halt einen, der uns in Zukunft voranbringt. Hatte Timo Peikert indessen gar kein Vertrauen?

Natürlich fällt einem auf Anhieb das Beispiel Bayern München ein. Julian Nagelsmann, der noch alle Titel-Chancen hatte, gefeuert - Thomas Tuchel, der es erfolgsmäßig richten sollte, geholt. Kann man machen, muss man aber nicht. Und wie gesagt: Es betrifft weder Germania Fulda oder Bayern München. Das sind eh andere Welten, werden Sie sagen. Das sind die Mechanismen des Profifußballs. Hier Profi-Fußball - da der auf Kreisebene. Offenbar aber, und das ist das Gefährliche, schwappen "Mechanismen von oben" immer mehr auf unseren Fußball in der Region über. Beispiele dafür gab es in der jüngeren Vergangenheit zur Genüge. Ob Hertha BSC, als Pal Dardai seinen Vorgänger Sandro Schwarz für die letzten Spiele ablöste. Auch der Umgang mit Oliver Glasner bei Eintracht Frankfurt kam nicht schick rüber. Nicht jeder hat in seiner Wohlfühl-Oase Christian Streich. 

Per E-Mail? Oder per Telefon? Erfahren es Trainer überhaupt?

Brechen wir es herunter und schauen in die Gruppenliga Fulda. Hier kamen einige Vereine nicht umhin, ihren Trainer auszutauschen. FT Fulda oder die TSG Lütter machten davon Gebrauch und wollten ihre Haut retten. Positives Beispiel ist hier der ESV Hönebach, der mit Tino Jäger an einer Vereins-Legende strickt - wenn er es nicht schon ist. 

Doch nun zum Bedauerlichen. Früher galt ein Fußball-Trainer als wichtigste Person im Verein. Ihm wurde Respekt entgegengebracht, seine Worte waren Gesetz, nicht selten war ein Stück Ehrfurcht im Spiel. Und heute: Die Coaches werden ausgetauscht. Beliebig fast. Sind sie nur die Randfiguren in einem schlechten Spiel? Eine Entlassung trifft sie oft unvermittelt. Nichtsahnend. Hier und da weiß es die Öffentlichkeit früher als der Trainer, ob er noch weitermachen darf. Manchmal erfährt er es per E-Mail, manchmal per Telefon - aber nicht persönlich. Dabei werden Trainer - wie Spieler auch - geholt, weil sie "in unser Anforderungsprofil passen". Jetzt wird mir schlecht. 

Offener und ehrlicher Umgang? Achtung? Respekt? Null. Hier geht es nicht mal ums Fachliche; wen interessiert das eigentlich noch? Hier geht es ums Mensch-Sein. Ums pure Mensch-Sein. Noch ist nicht alles, aber vieles davon auf der Strecke geblieben. Auch im Fußball auf Kreisebene. Auch in Osthessen. Ist alles nur ein Reflex unserer Gesellschaft? Ach, wie lieben wir doch unseren Ergebnissport Fußball ... (wk)+++

OSTHESSEN|NEWS-Sport-Reporter Walter Kell\r\n
Foto: Yannik Overberg

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