Ein Mann, der für die Musik lebte

Prägende Figur der Kultur: Siegfried Heinrich mit 88 Jahren verstorben

Siegfried Heinrich verstarb am Montag im Alter von 88 Jahren.
Fotos Archiv Christopher Göbel, AfM

08.02.2023 / BAD HERSFELD - Am Montag verstarb Siegfried Heinrich, der viele Jahrzehnte lang das kulturelle Leben der Stadt Bad Hersfeld und weit darüber hinaus prägte. Er wurde 88 Jahre alt und schlief friedlich im Krankenhaus ein.



Heinrich war bereits als Kind Sänger im Dresdner Kreuzchor, wo er bereits als Pianist auffiel. Das angestrebte Studium der Kirchenmusik in der damaligen DDR war nicht möglich, sodass Heinrich entschied, nach Frankfurt am Main umzusiedeln und an der dortigen Musikhochschule zu studieren.

Die Bad Hersfelder Opernfestspiele und die Festspielkonzerte wären ohne Siegfried Heinrich nicht denkbar gewesen. Der 1935 in Dresden geborene Kirchenmusiker war von 1961 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2000 Kantor der Bad Hersfelder Stadtkirche. Darüber hinaus leitete er den Hersfelder Festspielchor sowie die Konzertchöre aus Marburg und Frankfurt. Seine Ehefrau Christa, ebenfalls studierte Kirchenmusikerin, leitete viele Jahre lang die Kinderchöre der Kantorei, die damals Kurrende und Jugendsingkreis hießen. Bereits 1957 hatte Heinrich das Hessische Kammerorchester Frankfurt/Main gegründet.

Zahlreiche Auszeichnungen

Neben seinem Beruf als Kantor lehrte Heinrich an der Gesamthochschule Kassel (heute Universität Kassel). Ihm wurden unter anderem das Bundesverdienstkreuz, der Hessische Verdienstorden, die Ehrenplakette der Stadt Bad Hersfeld, die Philipp-Nicolai-Medaille der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, der europäische Gustav-Mahler-Preis sowie die Ehrenprofessur verliehen, mit der Persönlichkeiten vom Land Hessen ausgezeichnet wurden, die sich in besonderer Weise um Wissenschaft und Kunst verdient gemacht haben (O|N berichtete damals).

Heinrich gründete in Bad Hersfeld den Arbeitskreis für Musik und die Musische Bildungsstätte, ist Initiator der Internationalen Bachtage, der Bad Hersfelder Opernfestspiele, der Bad Hersfelder Festspielkonzerte und des Studios für Alte Musik in Frankfurt. Er dirigierte Werke von der Renaissance bis zur Moderne, unter anderem leitete er die Erstaufführung von Lukas Pendereckis "Lukas-Passion" im Jahr 1967 in München. Das Bachhaus Bad Hersfeld in der Nachtigallenstraße wurde auf Heinrichs Wunsch und Wirken hin gebaut.

1980 hob Heinrich die Bad Hersfelder Opernfestspiele aus der Taufe, die alljährlich nach dem Sprechtheater auf dem Spielplan in der Bad Hersfelder Stiftsruine standen. Werktreue und Präzision waren Heinrichs Maxime, die seine zum größten Teil von ihm selbst dirigierten Konzerte und Opernaufführungen bestimmten.

Der Ruf seiner Chöre und der von ihm geleiteten Orchester war nicht umsonst sehr gut. Konzertreisen führten den Hersfelder Festspielchor ins europäische Ausland. Doch sein Herz hing an Bad Hersfeld, der Stiftsruine und der Stadtkirche.

Persönliche Erinnerungen

Ich habe in letzter Zeit manchmal an Siegfried Heinrich gedacht. Mich verbinden viele Erinnerungen mit dem Mann, der für mich immer eine absolute musikalische Autorität war. Schon in den Kinderchören lernte ich ihn kennen – als einen Musiker, der immer wusste, was er wollte. Im Hersfelder Festspielchor stand für ihn immer die künstlerische Präzision an erster Stelle.

Später wirkte ich mit vielen anderen bei der Bad Hersfelder Oper mit. Auch an diese Zeit erinnere ich mich gerne. Wenn etwas nicht lief, wie es Heinrich es wollte, konnte er mit Strenge, aber sehr oft auch mit einer Prise Humor alle Mitwirkenden dazu animieren, das Beste zu geben. Ich erinnere mich auch gerne daran, dass er während einer Probe plötzlich Bach-Kompositionen "verjazzte" oder mit seinen Kommentaren zum Chorgesang für manche Erheiterung sorgte.

Mein musikalisches Interesse wurde maßgeblich von Siegfried Heinrich und seiner Frau Christa geprägt. Bei ihr hatte ich Klavierunterricht, mit ihm sang ich im Festspielchor Werke wie die Passionen Bachs, Carmina burana und – mir ganz besonders im Gedächtnis, "Johanna auf dem Scheiterhaufen" von Arthur Honegger. Er war streng, ja. Und er war auch streitbar, wenn es darum ging, seine künstlerischen Ziele umzusetzen. Aber ich hatte nie den Eindruck, dass es aus Eigennutz geschah, sondern immer die Kunst im Fokus stand.

Ruf der Stadt mitgestaltet

Zahlreiche Menschen hat er an die Musik herangeführt. Viele andere profitierten von den Konzerten, die er leitete. Er hat den Ruf Bad Hersfelds als Kulturstadt nachhaltig mitgestaltet. Ich bin ihm dankbar für alles, was er in mir bewegt hat. Ja, ich war auch oft sauer und wütend, wenn er zu streng (und meiner damaligen Meinung nach ungerecht) gegenüber manchen war. Aber das Gefühl, nach einem erfolgreichen Konzert sein beseeltes Lächeln zu sehen, machte das alles wieder wett. Er war durch und durch und von ganzem Herzen Künstler. Punkt.

In den letzten Jahren hatte er sich weitgehend aus dem kulturellen Leben zurückgezogen. Auch meine letzte Begegnung mit ihm ist schon einige Jahre her. Aber gerne erinnere ich mich an ein kurzes Gespräch, als er mit seiner Frau im Kurpark spazieren ging. Mein Mitgefühl gilt seiner Ehefrau Christa, seinen drei Kindern und Enkeln sowie allen Angehörigen. Die Musikwelt trauert um einen Mann, der die Musik lebte und vor allem für die Musik lebte. Möge er in Frieden ruhen. (Christopher Göbel) +++

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