Im ehemaligen Kerber

Kreatives Arbeiten der Zukunft: Was es mit dem "Coworking-Space" auf sich hat

Sind ganz begeistert vom "Coworking-Space": Pia Groß und Dr. Maximilian Kutzner.
Fotos: Maren Dietz

08.02.2023 / FULDA - Kreativität ist ein Begriff, der sehr häufig fällt im Gespräch mit Pia Groß und Dr. Maximilian Kutzner. Beim Vor Ort-Termin mit OSTHESSEN|NEWS im ehemaligen Kaufhaus Kerber stellen die beiden ein Projekt vor, dessen Entwicklung ein sehr spannender Prozess ist. Und zugleich darauf verweist, wie die Arbeitswelt in Zukunft aussehen könnte: "Coworking-Space" nennt sich das Zauberwort und "CO-KARL" die Wirkungsstätte. Betrieben von der Region Fulda GmbH und im Internet zu finden unter fd-works.de. 



Pia Groß gehört zum Projekt- und Innovationsmanagement der Region Fulda GmbH, Dr. Maximilian Kutzner ist verantwortlicher Projektmanager für #fdworks, dem Arbeitsbereich Coworking und New Work. Kutzners Aufgabe ist es, "Coworking-Spaces" aufzubauen. Das sind Orte, an denen Angestellte, Gründer und ganze Unternehmen gemeinsam mit anderen unter einem Dach arbeiten. Austausch, Netzwerke bilden und zusammen arbeiten stehen im Vordergrund.

"Man teilt sich Infrastrukturen sowie Kosten und profitiert vom gemeinsamen Austausch", so Kutzner. Und dieser Ansatz ist gefragt. Inzwischen wird er auch von anderen Landkreisen und Städten als Experte angefragt. "Aber hier in Fulda wird es so richtig losgehen", sagt er. Wenn man mit ihm und seiner Kollegin spricht, dann ist man sehr beeindruckt von beider Enthusiasmus, mit dem sie ihre "kreative Spielwiese" betreiben - und dabei auf Individualität und Regionalität setzen.  

Rückhalt von Politik und IHK

Wie bereits mehrfach berichtet, hatte die Stadt Fulda durch die Stadtentwicklungsgesellschaft Fulda das ehemalige Kerber/Kaufhof-Areal in zentraler Lage von der Familie Kerber als Eigentümerin gekauft.  Und schon damals, Ende 2021, hatte OB Dr. Heiko Wingenfeld  von einer Art "Stadtlabor" gesprochen - einer Idee, die bei der "Zukunftswerkstatt Innenstadt" aufgekommen war. Die beiden Protagonisten Groß und Kutzner freut daher besonders, dass das "Stadtlabor" politisch gewollt ist und man auf Unterstützung der Verantwortlichen im Stadtschloss, aber auch der IHK, bauen kann. Im Erdgeschoss ist - wie bereits mehrfach berichtet - der Fuldaer DRK-Kreisverband mit einem Corona-Impf- und Testzentrum sowie dem Cafe' "Kerbersch Koarl"  vertreten.

Just an dem Tag, als O|N sich vor Ort ein Bild machte, stand der Einzug der ersten Möbel im 2. Obergeschoss an.  Offizieller Start ist im März, also in wenigen Wochen. Im "CO-KARL", so der erwähnte Name des "Coworking-Space", angelehnt an den Kaufhausgründer Karl Kerber, wird es unterschiedliche Formate geben.

Neben den 18 Arbeitsplätzen im offenen Coworking-Bereich gibt es eine Reihe von festen und abschließbaren Büroeinheiten in einer Größe zwischen 20 bis hin zu 100 Quadratmetern. Dieses  Angebot richtet sich an kleinere Teams und Unternehmen, die nach einem festen Büro suchen. Diese sehr stark nachgefragten Einheiten befinden sich im 3. Obergeschoss des Verwaltungsbaus von Kerber in der Lindenstraße.

Die Preise für ein Tagesticket im Coworking belaufen sich auf 14 Euro, das Monatsticket liegt bei 250 Euro. Die Arbeitsplätze in den festen Büroeinheiten werden für 350 Euro angeboten werden. Es gibt keine langen Laufzeiten, was maximale Flexibilität ermöglicht.

Und wie es sich für ein solch in die Zukunft weisendes Projekt gehört, läuft alles digital ab.  Interessierte lösen über die Website www.fd-works.de ein Ticket, egal ob für einen Tag oder einen Monat. Der Clou dabei: Wer sich einmal kostenfrei registriert hat, der kann auch Arbeitsplätze in anderen Standorten von #fdworks buchen. In Neuhof entsteht derzeit ebenfalls ein "Coworking Space" mit zwölf Plätzen. Es wird in den kommenden Wochen eröffnet. Weitere Standorte folgen in diesem und den nächsten Jahren, so Kutzner.

Doch zurück zu Fulda: Das Angebot ist offen gestaltet und richtet sich an einen breiten Interessentenkreis: Angestellte im Homeoffice, die eine Alternative zwischen der Arbeit zu Hause und im Büro suchen und sich dabei das Pendeln ersparen wollen. Oder Freelancer und kleinere Unternehmen, Start-Ups und Gründungsinteressierte, die einen günstigen und flexibel buchbaren Ort zum Arbeiten suchen. Aber auch für Unternehmen ist das Angebot interessant, denn sie können Kontingente für ihre Angestellten mieten, die sich in wechselnder Besetzung und flexibel einbuchen können.

Wohnliche Umgestaltung

Zum "Coworking-Space" gehört ein Tagungsraum für bis zu 20 Personen, der von den Nutzern und externen Interessierten gebucht werden kann.  Inkludiert in das Angebot ist alles, was man für eine Bürotätigkeit braucht: also beispielsweise auch die hinreichende Versorgung mit Kaffee.

Etwas ganz Besonderes, und da geraten Groß und Kutzner regelrecht ins Schwärmen, ist die Möblierung der Räumlichkeiten. Diese sollen wohnlich gestaltet werden, wobei nicht nur Pflanzen eine große Rolle spielen. Denn auch das Argument des Wiederverwertens spielt eine große Rolle: Das große Zauberwort lautet hier "upcycling" und bedeutet, dass gebrauchten Möbelstücken quasi ein zweites Leben eingehaucht wird. Und so finden sich beispielsweise Spinde der früheren "Kerber"-Mitarbeiter in den neuen Büroeinheiten wieder. Groß: "Die Möbel, die sich hier finden, das sind alles wertige Sachen, die einer anderen, neuen Verwendung zugeführt werden". Dieser Ansatz passt auch zur Laufzeit des Projekts. Denn vorerst besteht"CO-KARL"nur bis Ende 2024. Welche Entwicklung das Gebäude danach nimmt, ist derzeit noch offen. Es handelt sich also um eine Zwischennutzung. 

New Work praktisch umsetzen

In der IHK-Zeitung hat Kutzner ausführlich erläutert, was er sich unter dem "Neuen Arbeiten" vorstellt. Er spricht dabei von Kreativphasen, in denen drei wesentliche Ansätze von New Work vermischt werden. Jener Philosophie, die neue Impulse für die Bewältigung der großen Herausforderungen unserer modernen Arbeitswelt setzt.

Der erste: Ich konzentriere mich auf Arbeit und Projekte, die mich wirklich glücklich machen. Natürlich gibt es auch lästige Dinge zu erledigen. In jedem Beruf gibt es diese. Aber im Kern muss ich an den großen Projekten immer Spaß haben. Sie müssen mich erfüllen.

Zweitens achte ich darauf, dass nicht die Arbeit mein Leben bestimmt, sondern mein Leben die Art, wie ich arbeite. Das fängt beim Tagesrhythmus an und endet bei der Priorität von Aufgaben. Wenn es der Terminkalender zulässt, nutze ich eine kurze Phase des Sonnenscheins im Winter für einen Spaziergang und setzte mich dann am Abend noch einmal an den Schreibtisch.

Und drittens suche ich nach Orten, an denen ich besonders gut arbeiten kann und die mich inspirieren. Von der Uni-Bibliothek bis zum Restaurant kann das alles sein. 

Diese Art zu arbeiten ist nicht nur etwas für die Menschen, die nicht mehr als einen Computer zum Arbeiten benötigen. Warum sollte nicht ein Schreiner oder Metzger neue Ideen und Impulse finden können, wenn es für einen Moment aus dem Tagesablauf heraustritt. Der Arbeitgeber muss dafür sorgen, dass seine Angestellten diese Zeit bekommen.

Kutzner: "Für unsere Wirtschaftsregion Fulda liegt großes Potenzial darin, Ansätze neuer Arbeitsplatzmodelle aufzunehmen. Denn sie sind in den Metropolen schon verbreitet und ziehen dort Fachkräfte an. Gerade in einer vom Mittelstand geprägten Region wie bei uns liegt in so manchem neuen Ansatz eine große Chance, auch in Zukunft wettbewerbsfähig auf allen Ebenen zu bleiben. Denn gute Ideen kann man immer brauchen". (Bertram Lenz) +++

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