Sozialdemokrat zum Leopard-Ja

Außenpolitiker Michael Roth: "Mehr Waffen bringen uns dem Frieden näher"

Michael Roth ist Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses der Bundesregierung
Foto: Michael Farkas

27.01.2023 / BERLIN / REGION - Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat am Mittwoch sein Ja für die Lieferung des Kampfpanzers Leopard zum Einsatz in der Ukraine gegeben. Das Thema beschäftigt viele Menschen. In der ZDF-Sendung "Was nun, Herr Scholz" erklärte der Bundeskanzler in seinen gewohnt ruhigen und zurückhaltenden Worten seine Entscheidung.



"Jeden Abend schauen viele Bürgerinnen und Bürger Fernsehen und hoffen, dass die Regierung und der Kanzler die Nerven behalten. Und denen kann ich versichern: Das war so und das wird auch so bleiben", sagte Scholz im Interview mit den ZDF-Redakteurinnen Bettina Schausten und Anne Gellinek. Scholz wiederholte mehrfach, dass er in enger Absprache mit den Verbündeten agiere, Deutschland weiterhin keine Kriegspartei sei und auch nicht sein werde. Die Lieferung von Kampfflugzeugen und den Einsatz von Soldaten schloss er aus.

Während die Politik bis auf den linken und rechten Rand die Entscheidung von Scholz lobte, sind viele Menschen in Deutschland von den Entwicklungen deutlich weniger überzeugt. Gerade auch die zögerliche Kommunikation wird kritisiert.

Politikwissenschaftler Professor Karl Rudolph Korte beschrieb die Kommunikation von Scholz im ZDF-Morgenmagazin. Seine Sprache sei oft "sehr knapp wie die Ressourcen der Energie, um die es gerade geht" und "kühl wie unsere Wohnzimmer" aktuell.

"Wir kennen viel mehr die Ausschussvorsitzenden des Bundestages, das war vorher nicht bekannt. Dieses Ringen ist nicht immer nur Zögerlichkeit, es ist auch Zeitgewinn", sagte Korte weiter. Einer der Ausschussvorsitzenden ist der heimische Bundestagsabgeordnete Michael Roth (52, Bad Hersfeld). Der Sozialdemokrat ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses und war zuvor als Staatsminister für Europa Kabinettsmitglied der Merkel-Regierung.

In unserem aktuellen OSTHESSEN|NEWS-Interview nimmt der Außenpolitiker Roth Stellung zu den Entscheidungen des Bundeskanzlers, den Folgen und seiner Einschätzung zum Ukraine-Krieg:

OSTHESSEN|NEWS: Der Lieferung von Leopard-Panzern wird viel Aufmerksamkeit geschenkt. Kann ein Kampfwerkzeug denn für einen schnelleren Frieden in der Ukraine sorgen? Was verspricht sich die Bundesregierung von diesem Schritt
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Michael Roth: "Gestern war ein Tag der Hoffnung für die Menschen in der Ukraine, die seit elf Monaten für Freiheit, Demokratie, Souveränität und das Überleben ihres Landes kämpfen. Und es war ein schwarzer Tag für den russischen Imperialismus, der auch unseren Frieden und unsere Sicherheit bedroht. Gemeinsam mit unseren Verbündeten helfen wir der Ukraine politisch, humanitär, finanziell und auch militärisch. Um sich zu verteidigen und von Russland besetzte Gebiete zu befreien, braucht die Ukraine die bestmögliche Unterstützung – dazu zählen auch Kampfpanzer. Auch wenn es schwer zu vermitteln ist: Mehr Waffen bringen uns dem Frieden näher. Nur wenn Putin versteht, dass er den Krieg verliert, wird er zu ernsthaften Verhandlungen bereit sein. Nur aus einer Position der militärischen Stärke kann die Ukraine diesen Krieg siegreich beenden."

OSTHESSEN|NEWS: Es gibt durchaus Menschen in Deutschland, die sich Gedanken machen. Die Sehnsucht nach Frieden ist groß. Ist es nicht an der Zeit, die Menschen mehr mitzunehmen und über die jeweiligen Beweggründe besser aufzuklären?

Michael Roth: "Niemand tut sich leicht mit solch schwerwiegenden Entscheidungen. Ich bin gefragt worden, ob ich mich über diese mutige und weitreichende Entscheidung der Bundesregierung freue. Nein, ich freue mich nicht, auch wenn ich für diesen Schritt geworben habe. Das ist wirklich kein Anlass zur Freude. Wir können uns erst freuen, wenn sich die russischen Truppen vollständig aus der Ukraine zurückgezogen haben, wenn die Waffen schweigen und dieser grausame Krieg endlich beendet ist. Ich habe Respekt davor, wie verantwortungsbewusst der Bundeskanzler mit diesen schwierigen Fragen von Krieg und Frieden umgeht. Viele Menschen machen sich Sorgen, die allermeisten sind aber unverändert solidarisch mit den Menschen in der Ukraine. Ich gebe Ihnen aber völlig recht: Wir müssen noch besser erklären, damit es viele Menschen auch verstehen. Und genau deshalb führe ich dieses Interview mit Ihnen, stelle mich den Diskussionen in den Medien, aber auch den Fragen von Bürgerinnen und Bürgern bei Veranstaltungen."

OSTHESSEN|NEWS: Wie geht es jetzt weiter? Es wird befürchtet, dass den Leopard-Panzern bald Kampfjets folgen?

Michael Roth: "Mit der Lieferung von westlichen Schützen- und Kampfpanzern sind wir gerade erst einen sehr großen Schritt gegangen, um die Ukraine in ihrem Verteidigungskampf zu unterstützen. Von Beginn an haben wir die Strategie verfolgt, die militärische Unterstützung an die militärische Lage anzupassen. Dabei sind wir immer schrittweise und abgestimmt vorgegangen. Ich verstehe natürlich die Rufe aus der Ukraine nach mehr Waffen, auch nach Kampfflugzeugen. Da kämpft ein Land seit elf Monaten um sein Überleben. Unser Maßstab war vor Beginn an, dass wir selbst keine Kriegspartei werden und stets in enger Abstimmung mit unseren internationalen Partnern handeln. Daran wird sich nichts ändern." (Hans-Hubertus Braune) +++

Olaf Scholz als damaliger Spitzenkandidat der Sozialdemokraten bei seinem Auftritt in Bad Hersfeld
Archivbilder: O|N/Hans-Hubertus Braune
Michael Roth und der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz

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