Prof. Henrik Kessler offiziell eingeführt

Wenn Kummer krank macht: Klinik für Psychosomatik unter neuer Leitung

Professor Dr. Henrik Kessler wurde am Mittwochabend offiziell im Hörsaal des Klinikums Fulda in sein neues Amt eingeführt.
Fotos: Henrik Schmitt

06.10.2022 / FULDA - "Die Psychosomatische Medizin befasst sich mit körperlichen Beschwerden, hinter denen psychische Ursachen stecken", erklärt Professor Dr. Henrik Kessler. "Das können Bauchschmerzen sein, die durch Kummer entstehen. Oder eine unerklärliche Lähmung, die auf eine traumatische Kindheitserinnerung zurückzuführen ist. Oder eine Essstörung, die innere Sorge, Traurigkeit oder Angst ausdrückt." – Am Mittwochabend wurde Professor Kessler in einer Feierstunde im Hörsaal des Klinikums Fulda offiziell als neuer Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie eingeführt.

Eigentlich hat der 46-jährige Mediziner das Amt bereits am 1. August von Dr. Anna-Maria Budczies übernommen, die die Abteilung vor zwölf Jahren aufgebaut hatte. "Damals mit gerade einmal vier Patienten", sagt Kessler im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS. "Heute sind es etwa 60." Diese werden betreut von 20 Therapeuten, 15 Pflegekräften und zehn weiteren Mitarbeitern.

"An Fulda schätze ich besonders die nette und entspannte Atmosphäre"

Henrik Kessler wurde 1976 in Schorndorf im Großraum Stuttgart geboren und ist "ein echter Schwabe", wie er bekennt. Er studierte in Ulm, ging dann an die Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie nach Bonn und wechselte schließlich nach Bochum. Nun also Fulda. "Ich war in den letzten zehn Jahren beruflich immer mal wieder hier und schätze die nette und entspannte Atmosphäre", sagt Kessler. "Vor allem auch, dass man hier vieles zu Fuß erledigen kann. Ich pendle ja und habe meinen Erstwohnsitz mit meiner Frau und meinen beiden Kindern in Essen. Da muss man wirklich alles mit dem Auto erledigen."

Den Unterschied zwischen seinem eigenen Fachbereich, der Psychosomatischen Medizin, und der Psychiatrie erklärt Professor Kessler so: "Die Psychiatrie ist gefragt, wenn die Hirn-Chemie komplett verrücktspielt, es also um Psychosen, Manien oder Halluzinationen geht, wenn also der Patient – um es mal überspitzt zu formulieren – den Teufel an der Wand sieht. Da helfen in der Regel dann nur noch Medikamente."

Die Themen in der Psychosomatik seien viel eingängiger und auch nachvollziehbarer. "Wenn zum Beispiel einem vor Stress der Kopf platzt oder man sich vor Angst in die Hose macht. Das sind eher alltägliche Psychokrisen, die man oft gut mit Gesprächstherapien behandeln kann. Medikamente werden dabei selten verabreicht und auch nur begleitend."

Ganz oft würden Patienten von verzweifelten Hausärzten ins Klinikum geschickt, die sich auch nach der fünften Untersuchung keinen Reim auf deren Beschwerden machen könnten. "Da kommen wir dann ins Spiel und die Heilungschancen liegen bei über 60 Prozent." Derzeit leide übrigens so mancher Patient durch die monatelange Isolation und die Ungewissheit während der Pandemie an psychosomatischen Beschwerden.

Wie Tetris-Spielen bei der Aufarbeitung von Traumata helfen kann

Als neuer Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie möchte Professor Henrik Kessler in Fulda vor allem drei Behandlungsansätze weiter ausbauen: Erstens die Therapie von fettleibigen Patienten, "denn da reicht es nicht, einfach nur den Magen zu operieren, die müssen vor und nach der OP psychisch begleitet werden". Zweitens die mentale Betreuung von Diabetes-Typ 1-Patienten, bei denen die Medikamente nicht anschlagen.

Kesslers Steckenpferd sind freilich posttraumatische Belastungsstörungen: "Nehmen wir an, jemand hatte ein schreckliches Erlebnis und hat nun jeden Tag Flashbacks, die ihn daran erinnern. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass so einem Patienten geholfen werden kann, indem er das Erlebte einfach nur auf ein Stück Papier schreibt, den Zettel dann zusammenknüllt und wegschmeißt und danach eine halbe Stunde das Computerspiel Tetris spielt", erklärt der Mediziner. "Weil der Teil des Gehirns, der für die Flashbacks verantwortlich ist, auch bei Tetris gefordert wird, werden die Symptome deutlich abgeschwächt. Und das Schöne dabei ist: Das Ganze kostet praktisch nichts." (mw) +++

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