Musikalische Lesung

Heinz Rudolf Kunze im Kreuz: Anders als von vielen erwartet

Heinz Rudolf Kunze im Kreuz
Fotos: Jasmin Sippel-Mönch

01.10.2022 / FULDA - Heinz Rudolf Kunze hielt eine musikalische Lesung vor rund 200 Zuschauern im Kreuz in Fulda. Nicht allen war klar, was ihn da erwartete. Im ersten Teil des Abends las er Auszüge aus seinem Buch Werdegang. Er gab interessante Einblicke in seine Kindheit und Jugend im Wirtschaftswunderland.



Wie er eher unerwartet bei einem Nachwuchsfestival Erfolg hatte und dadurch dem vorher schon völlig durchgeplanten Leben nochmal entging. Er ließ in Auszügen die Zuschauer an bildhaften Erinnerungen seiner Vergangenheit teilhaben. "Junge, das klang wie damals, als wir angegriffen haben", so sein Vater, ein ehemaliger SS-Soldat und Wagner Fan, nach einem "The Who-Konzert".

Oder die Geschichte, als Neil Young seine CD zerbissen hat und wie er Peter Maffay kennengelernt hat, sind Bilder die die Zuschauer gerne mit nach Hause genommen haben. Und dann kam der zweite Teil des Abends. Mit sehr kritischen Äußerungen, die zum Teil sarkastisch, fordernd und bis an die Grenzen mancher Zuhörer gingen, äußerte er sich kritisch zu aktuellen Themen. Nichts war von seiner harschen Kritik sicher. Sowohl der Umgang mit Flüchtlingen, der Klimawandel oder auch die Ausbeutung der Erde waren Themen. "Deutschland ist im Arsch, Scheißstaat, Kinder lernen nicht mehr rechnen und schreiben" waren nur einige seiner barschen Ausdrücke, die doch den ein oder anderen Besucher irritierten und die auch zum Teil die Veranstaltung verließen. Aber es gab auch einigen Zuspruch von anderen Besuchern zu seinen provokanten Thesen.

Ein großer Poet und Songwriter

Besonders irritierend war, dass nach besonders hart ausgesprochenen Thesen Lieder folgten, die zwar zum Teil auch zeitkritisch waren, aber doch eine ganz andere Wirkung beim Zuschauer erzeugten. Ein großer Poet und Songwriter ist er eben und das kann er einfach. Wenn er allein auf der Bühne sitzt, mit seinen zwei Gitarren, einer Mundharmonika und seine Lieder zum Besten gibt, kann man eigentlich nicht anders, als daran gefallen zu finden. "Finden Sie Mabel" bescherte ihm großen Applaus und sein Mundharmonikaspiel nach echter Bob-Dylan Manier ließ alle Zuschauer staunen.

Trotzdem blieben seine provokanten Thesen, dass alle Menschen "Zuarbeiter der Feigheit", "Spielgesellen der Feigheit" sind, die in einem Gesinnungsgefängnis sitzen unkommentiert im Raum stehen. Und auch seine politische Gesinnung ließ sich nicht immer genau erkennen.

Grund genug für OSTHESSEN|NEWS um ein Interview zu bitten, was uns Heinz Rudolf Kunze auch telefonisch gab. Die von uns gestellte zugegeben etwas provokante Frage, ob er politisch dem rechten Flügel nahesteht, wies er entschieden zurück. Auch wenn er Entscheidungen, die die jetzige, aber auch die vorherige Regierung, infrage stellt, ist er durch und durch Demokrat und als solcher möchte er sich auch verstanden wissen. "Eine ganz klare Flanke gegen Rechts".

Warum er mit solcher Bissigkeit auf die Bühne geht und was er beim Publikum damit erreichen möchte, ist einfach zu erklären. Er steht zu seiner Meinung und vertritt diese auch. Ob nun die Gendersprache, die er als "postaufklärerische neomittelalterliche Form von Tollwut bezeichnet" oder bei Politikern von Verschlimmbesserer spricht, die Meinung muss nicht jeder mittragen und rosarotes Gerede ist nicht sein Ding. Damit eckt man an, dass weiß Heinz Rudolf Kunze und bezeichnet sich selbst als "Punk unter den Songwritern".

Eine von ihm aufgestellte These gestern Abend war "Wer eine Weltanschauung hat, der hat schon lange aufgehört, die Welt anzuschauen und ist weltfremd". Eine These, die es wert ist, darüber nachzudenken. Aber vielleicht auch der Künstler selbst. Denn bei dem zum Glück gegebenen Recht auf freie Meinungsäußerung, sollte man nicht allzu festgefahren sein, in seinem Meinungsbild. Ob nun wirklich alle unsere Jugendlichen nicht schreiben und rechnen können, ist sicherlich mehr als zweifelhaft. Und natürlich kann und muss man über politische Entscheidungen diskutieren, aber meckern, ohne Lösungen zu bieten, ist leicht.

Er hat zum Nachdenken angeregt

Und dennoch hat Heinz Rudolf Kunze erreicht, was er vielleicht am meisten wollte. Er hat zum Nachdenken angeregt. Und dafür, dass er sich heute auf das Telefoninterview eingelassen hat, ein herzliches Dankeschön. Das hätte sicher nicht jeder Künstler gemacht und zeigt doch, wie wichtig ihm sein Publikum ist. (Jasmin Sippel-Mönch) +++

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