Pressekonferenz Landkreis und Arbeitsamt

Mahnung des Landrates: Die Menschen in "krisenhafter Lage" nicht überfordern

Der kriegerische Überfall Russlands auf die Ukraine hat auf verschiedenen Ebenen auch massive Auswirkungen auf unsere Region.
Symbolbild: Pixabay

01.10.2022 / FULDA - Mit einem eindringlichen Appell hat Fuldas Landrat Bernd Woide dazu aufgerufen, Staat und Gesellschaft nicht zu überfordern. Der CDU-Politiker, der während einer gemeinsamen Pressekonferenz von Kreis und Arbeitsagentur von einer "krisenhaften Lage" sprach, konstatierte am Freitagvormittag eine hohe Verunsicherung seitens der Bevölkerung.  Die aktuelle gesellschaftspolitische Debatte werde zu Recht bestimmt von Themen wie Energiesparen, Inflation und Ukrainekrieg, doch dürfe auch die Problematik der Migration nicht außer Acht gelassen werden. 



Aspekte der Fluchtmigration aus der Ukraine im Hinblick auf den regionalen Arbeits- und Ausbildungsmarkt bildeten den Kern des Pressegespräches, an dem neben Landrat Woide noch Waldemar Dombrowski, Vorsitzender der Geschäftsführung der Arbeitsagentur Bad Hersfeld-Fulda, Jürgen Stock (Fachbereichsleiter Arbeit und Soziales beim Landkreis Fulda), Ulrich Nesemann (Leiter des Fachdienstes Kommunaler Arbeitsmarkt), und Frank Kamolz (Bereichsleiter der Arbeitsagentur) teilnahmen.

Der allgemeine Tenor: Die Geflüchteten bieten eine Chance, gerade bei der mitunter Hände ringenden Suche der heimischen Unternehmen nach Fachkräften. Seit dem 1. Juni beziehen Frauen und Männer aus der Ukraine Grundsicherungsleistungen statt wie bislang Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Zuständig für die Leistungen nach dem SGB II ist das Kreisjobcenter des Landkreises Fulda. Die Integration in den Arbeitsmarkt sei mit Herausforderungen, aber auch mit Chancen für die Region verbunden.

Woide zufolge sind seit Beginn des Krieges ukrainische Flüchtlinge in den Landkreis gekommen, deren Zahl von annähernd 3.000 die Einwohner einer Gemeinde in der Größenordnung von - beispielsweise - Poppenhausen/Wasserkuppe oder Bad Salzschlirf ausmacht. Der Landrat würdigte ausdrücklich die hohe Aufnahmebereitschaft der Menschen in der Region Fulda, betonte aber auch, dass dem Willen und den Möglichkeiten Grenzen gesetzt sind. Ihn treibe die Sorge einer Überforderungssituation um, "die keiner will". Im Klartext: "Es wird immer schwerer, Menschen unterzubringen". Daher müsse endlich eine "abgestimmte europäische Migrationspolitik" in Gang gesetzt werden, "die wir aber noch nicht haben, und die ich weiter anmahnen werde".

Jürgen Stock zufolge besitzen aktuell rund 1.400 Personen aus der Ukraine den Status "Erwerbsfähige Hilfsbedürftige nach SGB II", davon sind 68 Prozent Frauen. 32 Prozent leben in der Stadt Fulda, die übrigen 68 Prozent sind gleichmäßig auf die weiteren Städte und Gemeinden verteilt. Stock sprach von einer umfangreichen Datenerhebung, unter anderem zu den Themenbereichen "Sprachkenntnisse", "Familiäre Situation", "Mobilität", "Berufliche/Schulische Qualifikation", "Gesundheit" und "Bleibeperspektive". Deutlich sei dabei geworden, dass der überwiegende Teil über eine gute bis sehr gute (Aus)Bildung verfüge, positiv gegenüber einer Ausbildung oder Anstellung gegenüber stehe und eine hohe Lernbereitschaft besitze.

Die Hürden für eine berufliche Zukunft in Deutschland, dies formulierte auch Ulrich Nesemann, seien insbesondere die Sprache, mangelnde Mobilität (oft ohne Führerschein), mangelnde Qualifikation bezüglich deutschen Standards oder auch Hürden des Integrationsprozesses (Behördengänge, Wohnraum).  

"Täglich kommen bis zu 300 Menschen mit den unterschiedlichsten Anliegen und Fragen zu unserer Servicestelle", so Nesemann. Und er skizzierte in Auszügen die Maßnahmen, die unternommen würden, um den Geflüchteten eine Chance auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt einzuräumen: Dies reiche von Einladungen zu Kursen oder auch zur Bildungsmesse über konkrete Vermittlungen bis hin zu Informationen von Schulamt, IHK, Kreishandwerkerschaft oder auch Träger von Sprachkursen.

Fulda: Arbeitsmarkt im September 

Trotz der Energiekrise zeigt sich der Arbeitsmarkt in der Region Fulda derzeit stabil. Zum Ende des Monats lag die Zahl der Erwerbslosen mit 3.935 um 229 niedriger als im August (-5,5 Prozent), die Arbeitslosenquote sank auf 3,1 Prozent (Vormonat: 3,3 Prozent; Vorjahr: 2,8 Prozent). Im Altkreis Hünfeld blieb die Arbeitslosenquote mit 2,5 Prozent weit unter dem Wert des gesamten Landkreises. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit gegenüber dem Vorjahresmonat ist laut Agenturchef Dombrowski auf den Sondereffekt der erwerbslosen Flüchtlinge aus der Ukraine zurückzuführen.

"Unser Arbeitsmarkt hat die Pandemie weitestgehend hinter sich gelassen und weist erste Anzeichen einer Herbstbelebung auf. Zudem werden erfahrungsgemäß nach den Sommerferien zahlreiche Beschäftigungsverhältnisse begründet", so Dombrowski. Insbesondere jüngere Personen hätten von der positiven Entwicklung profitiert. Derzeit sind 397 Personen unter 25 Jahren arbeitslos gemeldet. Das sind 99 weniger als im Monat zuvor. Ein Großteil der Ausbildungsabsolventinnen und -absolventen, die nach ihrem Abschluss nicht direkt in eine Anschlussbeschäftigung gemündet waren, konnte in den Arbeitsmarkt integriert werden.

Waldhessen: Arbeitsmarkt im September 

Auch in Waldhessen zeigt sich der Arbeitsmarkt derzeit stabil. Zum Ende des Monats lag die Zahl der Erwerbslosen mit 2.390 um 153 niedriger als im August (-6,0 Prozent), die Arbeitslosenquote sank auf 3,7 Prozent (Vormonat: 4,0 Prozent; Vorjahr: 3,4 Prozent). Im Altkreis Rotenburg sank die Arbeitslosenquote auf 4,0 Prozent (Vormonat: 4,3 Prozent). Dombrowski: "Bei der Agentur für Arbeit sind aktuell 689 Menschen erwerbslos gemeldet – 129 weniger als im August. Das Jobcenter des Landkreises verzeichnete 1.701 Arbeitslose und somit ein Minus von 24." (Bertram Lenz/pm) +++


Bei der Pressekonferenz: Arbeitsagentur-Chef Waldemar Dombrowski, Landrat Bernd Woide, Jürgen Stock und Ulrich Nesemann (von rechts).
Foto: Lenz
Waldemar Dombrowski und Arbeitsagentur-Bereichsleiter Frank Kamolz.
Foto: Lenz

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