Gedenkfeier

Die Luftschlacht über dem Seulingswald

Ansprache von Bürgermeister Wilfried Hagemann. Auch Bundeswehr Reservisten waren dabei
Fotos: Gerhard Manns

28.09.2022 / BAD HERSFELD - Vor genau 78 Jahren, am 27. September 1944, tobte über dem Raum Eisenach und Bad Hersfeld eine der dramatischsten und verlustreichsten Luftschlachten des zweiten Weltkrieges zwischen amerikanischen Bombern und deutschen Jagdflugzeugen, wobei deutsche Jagdflugzeuge 31 von 35 amerikanischen Bombern abgeschossen hatten. Ein ganzer Bomberpulk wäre vernichtet worden, wären nicht in letzter Minute herbeigefunkte US-Begleitjäger zu Hilfe gekommen.



Ein Desaster und die höchsten Verluste für die amerikanische Luftwaffe im zweiten Weltkrieg. Dabei kamen 118 Amerikaner ums Leben, wobei 11 US-Piloten nach der Landung mit dem Fallschirm ermordet wurden. 121 überlebten und kamen in deutsche Kriegsgefangenschaft. Auf deutscher Seite gingen 29 Jagdflugzeuge verloren und 18 Piloten fanden dabei den Tod. Sieben weitere unbekannte Tote forderte der Absturz einer deutschen Maschine auf ein Lazarett. Genau an der Stelle, wo sich heute diese Fliegergedenkstätte befindet, war die Führungsmaschine der amerikanischen Bomberflotte abgestürzt. Diese einmalige Gedenkstätte soll für alle Menschen ein Ort der Mahnung, Erinnerung und der Versöhnung sein.

Auszüge aus der Ansprache von Bürgermeister Wilfried Hagemann

"In der heutigen Zeit ist es nicht selbstverständlich, dass man sich der Vergangenheit erinnert. Nein, aus dieser hat man offensichtlich auch keine Lehren gezogen. Anders sind die politischen und wirtschaftlichen Vorgänge nicht zu erklären, welche uns aktuell begleiten, uns bedrohen, beängstigen, betrüben, Sorge bereiten. Erst recht sind wir dazu aufgerufen, zur Lehre und Mahnung an kriegerische sowie wirtschaftliche Konflikte, mahnend den Finger zu erheben.

Der alljährliche Verweis mit jenem erhobenen Finger an diesem Ort sollte unser gesellschaftliches, wirtschaftliches und demokratisches Gemeinwesen berühren. Das gemeinsame Miteinander, die Achtung und die tragenden Säulen unserer Demokratie werden immer weniger geschätzt und gewürdigt. Die Achtung vor dem staatlichen Aufbau und dessen Organisationen widerfährt immer weniger Akzeptanz. Die diesjährige Gedenkfeier steht daher nicht nur unter dem Zeichen des Gedenkens an die Vergangenheit, sondern auch als eine Mahnung an die Zukunft!

Die Herzen der Menschen waren verstört von Leid und Hass, von Angst und Verzweiflung, von Rachegefühlen und Hoffnungslosigkeit. Jeder wusste instinktiv, dass die Welt nie mehr so werden würde, wie sie vorher gewesen war. All das gehört zum Gedenken an diese schreckliche Erinnerung und zur Aufarbeitung der Geschehnisse, zum ehrlichen rückhaltlosen Umgang mit der Geschichte. Aber heute muss auch von der Zukunft gesprochen werden.

Unsere amerikanischen Freunde können wir an diesem Jahrestag leider nicht begrüßen. So schrieb uns das Ehepaar Jerry und Susie Pitmann am 24.09.2022, dass sie gerne an der Gedenkfeier in diesem Jahr teilgenommen hätten, aber aufgrund privater, räumlicher Veränderungen ihnen dies leider nicht möglich war.

In all meinen Ansprachen an diesem historischen Ort, hatte ich mahnende Worte gefunden. So soll es auch in diesem Jahr sein. Geändert hat sich nichts an der Feststellung des letzten Jahres, dass gefühlt die Gesellschaft aggressiver geworden ist. Eine Gesellschaft, die sich selbst beschleunigt und im Desaster enden wird. Immer mehr Menschen fühlen, dass die Zukunft Deutschlands und Europas in Gefahr ist. Der Ausgang der Wahlen in Schweden und in Italien zeigen eine besorgniserregende Entwicklung. Die extreme Rechte schickt sich an, die politische Landschaft der EU zu verändern. Mit Rechtspopulisten lassen sich keine Probleme lösen wie die Folgen von Putins Krieg gegen die Ukraine, die Inflation, der Klimawandel, die steigenden Energiepreise, die Armutsgefahr in Europa oder gar die Migration. Wir werden lernen müssen, mit Extremen zu leben.

Die Fliegergedenkstätte hier im Seulingswald ist ein Ort der Erinnerung, des erhobenen Fingers unseres gesellschaftlich staatlichen Miteinanders, dass es in einem vereinten Europa, in einem gemeinschaftlichen Weltgebilde, eigentlich nie wieder kriegerische Auseinandersetzungen geben sollte. Wir alle sind gefordert, Politik und Gesellschaft, unser Zusammenleben zu ordnen. Dies ist nur eine Bitte, hier und heute, an einen begrenzten Personenkreis. Ich bitte die Medien, die Anwesenden, dies entsprechend zu kommunizieren und zu publizieren.

Wir gedenken dem Initiator dieser einmaligen Gedenkstätte, Walter Hassenpflug, der am 26. Februar 2017 verstorben ist. Er hat diese Gedenkstätte aufgebaut und gepflegt. Seine persönlichen Schicksalsschläge haben diesen Ort zu seinem Lebenswerk gemacht. Er hat jedes Jahr Monate vor diesem Termin detailliert geplant, instruiert und umgesetzt. Wir verneigen uns vor Deinem Lebenswerk lieber Walter."

Der Bürgermeister schloss mit einem Zitat von Albert Einstein: "Was für eine Welt könnten wir bauen, wenn wir all die Kräfte, die den Krieg entfesseln, für den Aufbau einsetzen. Ein Zehntel der Energien, ein Bruchteil des Geldes wäre hinreichend, um den Menschen aller Länder zu einem menschenwürdigen Leben zu verhelfen. Beherzigen wir diese Worte und arbeiten in diesem Sinne gemeinsam", so Hagemann.

Der Erste Kreisbeigeordneter Dirk Noll sagte: "Der 27. September 1944 sah im hessisch-thüringischen Luftraum eine dramatische Schlacht zwischen amerikanischen und deutschen Fliegern, bei der 136 Flieger beider Nationen verstarben. Weiteren Millionen Menschen wurden in den seinerzeitigen kriegerischen Auseinandersetzungen das Leben genommen. Wir müssen mit Entsetzen feststellen, dass trotz der Mahnung vieler Zeitzeugen, die dem Horror jener Tage entkommen sind, es nicht möglich war, die Menschheit auf den Weg des globalen Friedens zu leiten. Gerade der unsägliche Überfall Russlands auf die Ukraine sollte uns Mahnung sein, Probleme niemals in Kriegen eskalieren zu lassen.

Frieden kann nur als internationale Aufgabe verstanden werden, die von jedem Einzelnen von uns die volle Unterstützung und das stetige Eintreten verlangt. Darum lassen Sie uns an dieser Gedenkstätte innehalten, um an das Geschehene zu denken. In Gedanken daran, dass solch schreckliche Dinge sich nicht wiederholen mögen. Hierdurch wollen wir unsere Achtung vor der Würde des Menschen einen sichtbaren und erkennbaren Ausdruck verleihen. Der Tod gehört zum Leben und hinterlässt schmerzliche Lücken. Doch noch schlimmer und durch nichts zu tolerieren ist der Tod durch Krieg.

Lassen Sie uns im Angesicht dieser Gedenkstätte die Hoffnung und den Glauben daran aufrechterhalten, dass diese Bilder nicht zur "Normalität" werden. Wir wollen nicht das Leid der Vergangenheit vergessen machen, wir wollen dafür sorgen, dass zukünftig kein neues Leid entsteht", so Noll. "Die Versöhnung mit den amerikanischen Bürgerinnen und Bürgern, und daraus entstandene Freundschaften, sollten uns in der Zukunft Kraft genug geben, um den Frieden gemeinsam als oberstes Ziel zu bewahren."

Der evangelische Pfarrer Dr. Michael Koktysz sprach ein Fürbittgebet, das Vaterunser und gab Gottes Segen. Trompetensoli gab es von Jürgen Sprenger und der blies die Musikstücke "Trumpet Voluntary", "Ich bete an die Macht der Liebe", "Taps", "Der Gute Kamerad", "Von guten Mächten" und zum Abschluss der Gedenkfeier das Stück "Nehmt Abschied Brüder". (Gerhard Manns) +++

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