Szenische Lesung mit Hoger und Richter
Briefe vom Äugelchenmachen und von der Liebe
Fotos: Christopher Göbel
13.08.2022 / BAD HERSFELD -
Es muss wohl Liebe gewesen sein, was den Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe und seine spätere Ehefrau Christiane Vulpus verbunden hat. Das zumindest lassen die Briefe vermuten, welche die beiden sich über Jahrzehnte schrieben. Nina Hoger und Ilja Richter lasen im Rahmenprogramm der Bad Hersfelder Festspiele aus diesen Briefen und hinterließen ein zwiespältiges Bild des großen deutschen Dichters - zumindest in Bezug auf sein zwischenmenschliches Handeln.
Sylvia Hoffmann hat aus der Vielzahl von Briefen - denn Goethe war meist nicht im heimischen Weimar zugegegen - eine Collage zusammengestellt, die das Verhältnis der beiden zueinander charakterisiert. Mit einem bisschen Hintergrundinformation für den historischen Kontext gaben die bekannten Schauspieler Nina Hoger und Ilja Richter einen Einblick die die Gefühlswelt des ungleichen Paares.
Intellektuelle Überlegenheit
Dass Goethe seiner Christiane sowohl intellektuell als auch gesellschaftlich überlegen war, zeigte sich unter anderem daran, dass er wohl oft Probleme beim Entziffern der Handschrift Christianes hatte - was Richter auf humoristische Weise zeigte. Auch ein von ihr verfasstes naives Gedicht, welches sie ihm schickte, ließ Goethe wohl vorsichtshalber unkommentiert. Anhand des Briefwechsels wurde klar, dass Goethe nicht oft im heimischen Weimar weilte. Die Zahl der Kinder lässt vermuten, dass beide sich zumindest auf körperlicher Ebene gut verstanden.Echte Liebe oder Phrasen?
Mit Humor, sprachlicher Präsenz und kleinen szenischen Einlagen brachte das Schauspieler-Duo dem Publikum in der Probenhalle der Festspiele am Kurpark diese Liebesbeziehung näher. Tragisch war allerdings, dass Goethe zwar mit Liebesformeln am Briefende immer wieder auf seine Gefühle hinwies, diese aber eventuell teilweise nur Phrasen gewesen sein könnten. Richter brachte die leicht überhebliche Art des Dichterfürsten gut zur Geltung, Hoger die Naivität Christianes und deren echte Liebe zu Goethe ebenso.Traurig das Ende: Nach einem Schlaganfall und Nierenversagen starb Christiane unter Qualen. Goethes Trauer machte Richter deutlich, auch wenn historisch belegt ist, dass Johann ihrer Beisetzung auf dem Weimarer Jacobsfriedhof nicht beigewohnt hatte. 16 Jahre älter war Johann, 16 Jahre überlebte er seine Christiane.
Ein anderes Bild des Dichters
Die Lesung warf ein ganz anderes Bild auf Goethe, als es das Musical "Goethe!" am selben Abend in der Stiftsruine tat. Auf der einen Seite der wenig liebenswerte, alternde Dichter, der seine Frau selten sieht und ihr gerne mit leichter Arroganz begegnet - auf der anderen Seite der junge Mann, der an der ersten großen Liebe zu zerbrechen droht und aus Kummer "Die Leiden des jungen Werther" schreibt. Junger Goethe und alter Goethe - die Zuschauer mögen sich ein Bild davon machen, wie sich der große deutsche Dichter im Laufe seines Lebens verändert haben könnte.Das Publikum in der Probenhalle spendete langen Applaus. "Lebe wohl und liebe mich" ist am heutigen Samstagabend um 20 Uhr noch einmal in der Probenhalle zu sehen. Tickets dafür - mit freier Platzwahl - gibt es noch auf der Festspiel-Website. (Christopher Göbel) +++