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Rundgang über die documenta fifteen: Bunt, bepflanzt und ein bisschen brutal

In Kassel läuft derzeit die Kunstausstellung documenta fifteen
Alle Fotos: Christopher Göbel

25.06.2022 / KASSEL - Die documenta fifteen ist anders. Irgendwie ganz anders als die Vorgänger-Ausstellungen. Kunst ja, aber sehr viel politischer, gesellschaftskritischer und fremdländischer. Gut, der letzte Punkt ist klar, denn die Ausstellung kuratiert hat das Künstlerkollektiv "ruangrupa" aus der indonesischen Hauptstadt Jakarta.



Das inzwischen abgebaute Werk "People’s Justice" des indonesischen Kollektivs "Taring Padi" war antisemitisch. Es sorgte für einen Eklat und das Kollektiv entschuldigte sich öffentlich dafür. Lesen Sie dazu auch den Kommentar "Was darf die Kunst?" bei OSTHESSEN|NEWS.

32 documenta-Standorte in Kassel

Doch zurück zu dem, was noch zu sehen ist: An insgesamt 32 Standorten lädt die weltweit anerkannteste Ausstellung für moderne Kunst ein, sich vor allem mit der indonesischen Kultur zu beschäftigen. Aber eben fast ausschließlich mit Indonesien. Es fehlt ein wenig die Vielfalt, die frühere documenta-Ausstellungen auszeichnete. Vieles ist ähnlich und das Publikum müsste entweder sehr gut englisch oder indonesisch können, um manches überhaupt zu verstehen. Auch wenn viele Motive der Gemälde martialische Szenen zeigen, sind die meisten in bunten, leuchtenden Farben gestaltet.

Und noch etwas ist anders in diesem Jahr: Wenn man an den "Parthenon of Books", den "Himmelsstürmer" oder Ai Weiweis "Template" zurückdenkt, dann waren das Kunstwerke, die ganz offensichtlich offenbarten, dass Kassel einen Sommer lang eine Stadt der Kunst ist. Was jetzt außerhalb der (kostenpflichtigen) Ausstellungen zu sehen ist, ist das, was man beispielsweise im "Auslandsjournal" oder in Reportagen über Indonesien zu sehen bekommt. Was wird davon nach der documenta fifteen bleiben?

Indonesien ist sicherlich ein schönes Land. Aber auch ein Land, das augenscheinlich viele Probleme hat. Dieser Probleme haben sich zahlreiche der ausstellenden Künstler angenommen. In vielen Gemälden und Collagen sieht man Gewalt, Waffen und Leid. In der ehemaligen katholischen St. Kunigundis-Kirche sind es gar obszöne Skelette, die das Auge des Betrachters verwundern. Vor den originalen christlichen Pietá-Fresken an der Wand wirken Maria und Kind als Skelette nahezu grotesk.

Vielfältige Gesichter der Kunst

Über Kunst lässt sich trefflich streiten. Dem einen gefällt's, dem anderen nicht. Die KünstlerInnen der documenta fifteen haben zum größten Teil darauf gesetzt, Zustände in ihrem Land anzuprangern. Andere wiederum wollen mit "Kuschelecken" wie beispielsweise beim "Bootsverleih Ahoi" oder einem Lebensmittelkollektiv im Fridericianum auch die positiven Elemente ihres Landes darstellen. Wieder andere setzen auf schwimmende Gärten oder Pflanzungen in der Karlsaue oder am Trafohaus. In einem indonesischen "Dorf" an der documenta-Halle wird gekocht, im Rondell an der Fulda und unter dem Fridericianum kann in fast völliger Dunkelheit entspannt werden.

Die Ausstellung in der "Grimmwelt Kassel" ist am ehesten für Kinder geeignet, denn dort haben die KünsterInnen aus Spielzeug und Alltagsgegenständen Dinge geschaffen, die bunt und fröhlich erscheinen. Im krassen Gegensatz dazu steht beispielsweise das "Hallenbad Ost" mit martialischen Gemälden, demonstrativen Pappfiguren im Außenbereich und einem roten Papp-Panzer mitten im ehemaligen Schwimmbecken. In der Karlsaue kann man einen Komposthaufen bestaunen und viel Plastikschrott, den unsere Gesellschaft tagtäglich produziert. Aber Kunst ist nunmal Kunst.

Ein Tag reicht nicht aus

Eines jedoch ist klar: Ein Tag reicht nicht, um alles von der documenta fifteen zu sehen, vor allem nicht das Begleitprogramm mit Führungen, Vorträgen und Interaktionen zwischen Kunst und Betrachter mitzuerleben. Wer die documenta fifteen besuchen möchte, ist gut beraten, wenn er sich anhand der Website documenta-fifteen.de schon vorher aussucht, welche Kunststätten er besuchen möchte. Zwar ist alles mit öffentlichen Verkehrsmitteln (für die die Eintrittskarte am Besuchstag ebenfalls gilt) oder zu Fuß erreichbar. Doch die Entfernungen zwischen den Ausstellungsorten sind nicht zu unterschätzen.

Die documenta fifteen läuft noch bis zum 25. September. Das Tagesticket kostet regulär 27 Euro, ein Dauerticket für die gesamte Zeit 129 Euro. Weitere Ticket-Varianten sind auf der documenta-Website abrufbar. (Christopher Göbel) +++

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