Missverständlich ausgedrückt?

Flugblattschreiber legen nach - Stefan Burkard: "Pseudo-Entschuldigung!"

Andrea Willing, Klaus Dänner und Brunhilde Fischer haben sich erneut zu Wort gemeldet
Fotomontage: Emina Omerovic

28.05.2022 / TANN (RHÖN) - Das Menschen mit Handicap diskriminierende Flugblatt der drei Tanner Kommunalpolitiker Andrea Willing, Brunhilde Fischer und Klaus Dänner mit der Überschrift "Unser Tann – auf dem Weg in eine Sackgasse?" hatte Anfang Mai sogar bundesweit hohe Wellen geschlagen und weithin für Empörung gesorgt. (O|N hat mehrfach darüber berichtet.) Jetzt haben sich dessen drei Autor:innen dazu per Anzeige im Tanner Stadtanzeiger zu Wort gemeldet. "Es war nicht unsere Absicht, beeinträchtigte Menschen und deren Angehörige mit unseren Worten zu verletzen. So weit unsere Worte missverständlich waren, bitten wir um Entschuldigung", heißt es da im Wortlaut.

Das heftig kritisierte Flugblatt sei "von Tannern für Tanner" gemacht worden, heißt es zu Beginn. "Wir alle wissen, dass seit über 30 Jahren Menschen mit Handicap zu unserem Stadtbild in Tann (Rhön) gehören und akzeptiert sind und das soll auch so bleiben", erklären die Flugblattverfasser jetzt. Dagegen hatten sie in ihrem Traktat genau diese Menschen dafür verantwortlich gemacht, dass angeblich Touristen der Rhönstadt fernblieben. Der Grund dafür sei, dass sich die Kernstadt Tanns zu einer "Sonderwelt" entwickele, weil die Präsenz des Tanner Diakoniezentrums allgegenwärtig sei. Im Marktplatzbereich liege eine Konzentration von Touristen und Klienten des Diakoniezentrums vor, Berührungspunkte seien unausweichlich. Das Verhalten der Menschen mit Behinderung – wie zum Beispiel mangelnde Distanz – wollten viele Touristen "nicht aushalten", wurde im Flugblatt ohne jeden Beleg behauptet.

Lieber Läden als Menschen mit Handicap?



Doch trotz der jetzt veröffentlichten, als Entschuldigung deklarierten Anzeige wiederholen die Flugblattverfasser ihre Ausgrenzung erneut. "Wir sind der Meinung, dass zukünftige Wohneinheiten in anderen Stadtteilen mit entsprechender Infrastruktur die Möglichkeit der Teilhabe von Menschen mit Handicap verbessern." In der Innenstadt wollen sie lieber eine "Revitalisierung mit Geschäften" -  als ob die Anwesenheit Behinderter dem entgegenstehen würde.

Bei Stefan Burkard, dem Geschäftsführer der Tanner Diakonie hat sich bisher keiner der drei Flugblattverfasser gemeldet oder gar für die Diskriminierung seines Klientels entschuldigt. Er findet klare Worte für die neue Äußerung der Drei: "Das ist ein Feigenblatt und höchstens eine Pseudo-Entschuldigung!" Ihn ärgert vor allem deren Verweis auf  "vorbildliche" Inklusionsprojekte von Antonius in Eichenzell, Neuhof und Poppenhausen. "Die sind doch mitten im Ortskern", führt er aus. Dem Diakonie-Chef ist vor allem daran gelegen, mit dem üblen Gerücht aufzuräumen, er kaufe ständig leerstehende Häuser in der Tanner Innenstadt. "In den 13 Jahren als Geschäftsführer habe ich noch keine einzige Immobilie erworben", stellt er unmissverständlich klar. Stattdessen bekomme er  Angebote von Tanner Hausbesitzern, die dem Gerücht ebenfalls aufgesessen seien. "Wir schieben niemanden in irgendeine Einrichtung ab, sondern assistieren den Menschen mit Behinderung bei ihrer Wohnungssuche. Das ist Inklusion!"

Tanns Bürgermeister Mario Dänner (parteilos) zeigt sich von Inhalt und Wortwahl der Anzeige im Stadtanzeiger befremdet und stellt ebenfalls klar, dass die Flugblatt-Aktion und auch die neuerliche Aktion der Stadt erheblichen Schaden zugefügt habe. Ein Rücktritt der drei Kommunalpolitiker, die ja dem Wohl der Stadt verpflichtet seien, halte er für unumgänglich. In der Stadtverordnetenversammlung am Freitagabend soll eine Resolution von CDU und SPD die drei erneut zum Rücktritt auffordern. (Carla Ihle-Becker)+++

Stefan Burkard, Geschäftsführer der Tanner Diakonie nennt die Äußerung eine Pseudo-Entschuldigung
O|N-Archivbilder (2)
Mario Dänner, Tanns parteiloser Bürgermeister, hält mit seiner Kritik an den Verfassern nicht hinterm Berg

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