Historische Operation in den USA

Prof. Dr. Dörge über Schweineherz-Transplantation - "Medizinischer Durchbruch"

Prof. Dr. Hilmar Dörge sieht in der gelungenen Transplantation großes Potenzial für die Zukunft.
Foto: Klinikum Fulda

23.01.2022 / FULDA/BALTIMORE - Es ist ein wahrer Meilenstein in der Geschichte der Medizin - In den USA wurde erstmals einem todkranken Mann ein genetisch verändertes tierisches Herz transplantiert. Der 57-jährige David Bennett ist damit der erste Mensch, dem ein Schweineherz das Leben erhalten soll. Auch in Fulda ist die Freude über die gelungene Operation groß: Prof. Dr. Hilmar Dörge, Direktor der Klinik für Herz-Thoraxchirugie am Klinikum Fulda, sieht in der Transplantation ein großes Potenzial für die Zukunft.


"Ich glaube, dass diese Art der Transplantation irgendwann eine echte Option in der Medizin sein wird. Man beschäftigt sich mit diesem Thema schon sehr lange. Eine Arbeitsgruppe in München ist, was die Transplantationsforschung angeht, da schon wirklich weit", blickt Dörge optimistisch in die Zukunft. So könne die sogenannte Xenotransplantation - also die Transplantation von Organen zwischen verschiedenen Spezies - zukunftsweisend sein.

Die größte Herausforderung bei der speziesübergreifenden Einpflanzung eines Organs sei dabei die sofortige Abstoßungsreaktion. In diesem Fall erkennt der Körper des Patienten, das implantierte Organ unmittelbar als "fremd". Auch bei der Herztransplantation zwischen Menschen sei dies ein bekanntes, aber sehr seltenes Phänomen. "Bereits in den 90er Jahren wurden in diesem Bereich viel Geld und Ressourcen in die Xenotransplantationsforschung investiert. Vor einigen Jahren transplantierte man dann erstmalig erfolgreich ein genetisch verändertes Schweineherz in einen Pavian - das war schon ein ziemlicher Durchbruch. Als ich vor kurzem von der Nachricht erfuhr, dass ein Schweineherz nun auch erstmalig erfolgreich einem Menschen eingepflanzt wurde, war ich wirklich von den Socken. Die gelungene Operation hat mich sehr gefreut", so der Experte.

Operation als Ergebnis jahrzehntelanger Forschung

Beim Eingriff in den USA, ist es den Medizinern jetzt gelungen, das Organ gentechnisch so zu verändern, dass es keine gefährliche direkte Abstoßungsreaktion hervorgerufen habe. "Die Oberfläche der Zellen sind umso unterschiedlicher, desto weiter die Organismen genetisch voneinander entfernt sind. Selbst beim Menschen gibt es untereinander Unterschiede. Die Operation ist das Ergebnis jahrzehntelanger Forschungsarbeit", freut sich der Mediziner. Seit geraumer Zeit versuchen Wissenschaftler bereits Organe aus Schweinen für die Einpflanzung in den menschlichen Körper zu gewinnen: Neben Herzen gehe es dabei auch um Nieren und Lungen. 

Trotzdem wird es laut Dörge noch einige Zeit dauern, bis der Eingriff in die klinische Routine übergeht. "Es bleibt abzuwarten, wie sich der Fall entwickelt. Ich bin gespannt zu erfahren, was die Kollegen daraus lernen, was beim nächsten Mal vielleicht anders gemacht werden muss und hoffe auf viele neue Erkenntnisse", meint der Experte, der betont: "Ich bin mir aber sicher, dass der Eingriff innerhalb der nächsten Jahre auch in Deutschland das erste Mal gewagt werden kann. Wie das Ganze in Zukunft genau aussehen wird, kann man jetzt noch nicht sagen. Wahrscheinlich werden nur einige Zentren in Deutschland solche Operationen anbieten. Das operative "Einpflanzen" des Herzens wäre auch in Fulda kein großes Problem, jedoch hängt da noch viel mehr dran", so Dörge. Trotz allem ist der gelungene Eingriff ein großer Erfolg für Menschen, die aufgrund von Herzinsuffizienz auf ein neues Herz angewiesen sind.

Eingriff laut Dörge moralisch vertretbar

Moralisch sieht der Mediziner keine großen Bedenken: "Schon seit den 60er Jahren werden Herzklappen biologisch aus Rindern und Schweinen entnommen. Dass Lebewesen für medizinische Zwecke gezüchtet werden, ist keine Neuheit. Die Medizin hält im Bereich der Xenotransplantation noch viel bereit".

Bereits 1969 wurde in Deutschland erstmals ein Herz transplantiert. Seitdem hat sich im Bereich der Immunsuppression einiges getan. Mit der Transplantation eines Schweineherzens habe die Medizin laut Dörge aber erneut einen großen Meilenstein geschaffen und bedeutende Weichen für die Zukunft der Organspende gestellt."Die große Gefahr, dass der menschliche Körper das tierische Organ abstößt, konnte mit diesem Eingriff überwunden werden. Allerdings ist noch nicht klar, wie lange ein solches Herz dann tatsächlich seinen Dienst tut. Dennoch macht diese Transplantation tausenden Menschen, die auf ein Spenderorgan angewiesen sind, Hoffnung. (Lea Hohmann) +++






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