Konzert der Extraklasse

Selina Ott und En-Chia Lin begeistern im Stadtschloss

Selina Ott bei ihrem Auftritt im Fuldaer Stadtschloss
Fotos: Carina Jirsch

20.10.2021 / FULDA - Herb Alpert hatte recht: Trompeter sind Alchimisten. Sie machen aus Blech Gold. Das konnten die Besucher/innen des gestrigen Konzerts im Fürstensaal erleben. Und so wie mir dürfte es allen gegangen sein, das Konzert klingt noch nach. Zu bewundern waren zwei großartige junge Künstler: Selina Ott, Trompete, und En-Chia Lin am Klavier. Im Hof des Schlosshofs traf ich einen Vater mit seiner Tochter, die auf uns zu kamen mit der Frage: "Sie sehen aus, als wüssten Sie, wo der Fürstensaal ist, da wollen wir hin, aber wir wissen nicht, wie." Den beiden konnte geholfen werden, es stellte sich heraus, sie waren eigens aus Frankfurt für das Konzert gekommen, denn die Tochter sei auch eine junge Trompeterin, und natürlich fasziniert von Selina Ott.



Es war ein ungewöhnliches Programm, eigentlich ein russischer Abend, der schmerzlich klar machte, was für eine intensive kulturelle Beziehung zwischen Russland und Deutschland es einmal gegeben hat. Für die meisten Besucher waren es höchstwahrscheinlich eher unbekannten Komponisten und Kompositionen. Egal ob Peskin, Pachmutova, Glière, Brandt oder Goedicke – alle Stücke leuchteten die Möglichkeiten der Trompete optimal aus. Und Selina Ott versteht trotz ihrer jungen Jahre, wie sie ihr Instrument zum Klingen bringt. Das wirkt so mühelos, so leicht, fast schwebend – und macht vergessen, wie viel harte Arbeit darin steckt, bis eine Trompete so klingt. Besonders reizvoll: Das Fach Trompete ist traditionell männlich besetzt – mit Selina Ott gibt es nun die erste Frau, die mit diesem Instrument den renommierten Internationalen ARD-Musikwettbewerb gewann. Und das ist nicht irgendein Wettbewerb, sondern der größte, den es in der klassischen Musik gibt.

Genauso zu feiern ist aber ihr Begleiter, der ausgesprochen sensibel und feinfühlig begleitete – und es muss einmal gesagt werden: Solisten am Klavier begleiten verlangt höchste Fähigkeiten vom Pianisten. Was En-Chia Lin als Pianist drauf hat, zeigt er in den Stücken, in denen nur das Klavier zu Wort kam: ein glitzerklarer Poulenc, ein fast wehmütiger Schnittke, ein jazzig-frecher Kapustin und ein grandios dramatischer Chopin. Ich bin wirklich kein Chopin-Fan, er wird mir viel zu oft und dann oft nur mittelprächtig dargeboten. Das insbesondere dann, wenn es sich um noch unerfahrene Pianisten handelt, das konnte man bei der letzten Pianale gut hören. Aber En-Chia Lin ist ein Meister seines Faches. Er holte alle Farben aus Chopin raus, sogar ich konnte mich so in diesen Komponisten verlieben.

Falls es noch Herzen gegeben haben sollte, die am Ende des Konzertes nicht erobert worden waren, schaffte das die Zugabe: Funiculì, Funiculà – dieses volkstümliche Lied aus Neapel, das zum Evergreen geworden ist. Wie Selina Ott die schnellen Läufe auf der Trompete bewältigte, war faszinierend. Für alle, die das Konzert verpasst haben, sei der Hinweis auf die aktuelle CD gegeben: Selina Ott / En-Chia Lin, Werke für Trompete und Klavier. Dort finden Sie auch einiges von dem wieder, was die beiden im Fürstensaal darboten.

Ein rundum gelungener Abend, der übrigens auch verborgene Talente des Fuldaer Theater-Intendanten Christoph Stibor enthüllte. Im besten Sendung-mit-der-Maus-Stil erklärte er zu Beginn des Konzerts, wie eine Trompete gebaut ist, und wie sie funktioniert. Wenn ich mir als Konzert-Besucherin etwas wünschen darf: lieber Herr Stibor, bitte gerne zu Beginn jeden Konzerts ein solcher Einblick in ein Instrument. Vielen Dank dafür. (Jutta Hamberger) +++

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