Mörtel & ein Lächeln von Herzen
"Das sind die Baustoffe für den Wiederaufbau im Ahrtal!"
Fotos: privat
18.09.2021 / GROßENLÜDER / AHRTAL - Die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal lässt Sebastian Reinhardt aus Großenlüder nicht los: Nachdem er uns von seinem anstrengenden und selbstlosen Einsatz dort berichtet hat, ist er mit vielen weiteren ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern weiter vor Ort. Er schreibt:
"Kaum wieder Zuhause nach meinem Helfereinsatz im zerstörten Flutgebiet, habe ich (mit Unterstützung von OSTHESSEN|NEWS) die "Hilfsaktion Wiederaufbau – Osthessen hilft!" ins Leben gerufen, um dringend benötigtes Baumaterial für die Menschen an der Ahr zu sammeln. Die ersten Tage war ich etwas gefrustet. Auf ein direktes Anschreiben an knapp 40 Handels- Handwerks- und Produktionsunternehmen haben sich gerade einmal 4 Unternehmen zurückgemeldet, wobei sich drei Unternehmen bereits tatkräftig vor Ort beteiligen.
Aber dann ging es los, unzählige Mails erreichten mich und ich habe viele Gespräche geführt. Sehr anrührende Gespräche mit Menschen, die mir Einblicke in ihr Leben und ihre Beweggründe gewährten. Vielen ging es wie mir. Sie hatten im Krisengebiet geholfen und waren tief berührt über das Erlebte. Wer einmal mit dem Elend vor Ort in Berührung gekommen ist, den lässt es nicht mehr los, der möchte weiter helfen und die Menschen nicht alleine lassen in ihrer Not.
Diesem Gedanken folgten vor 153 Jahren schon die Mayschosser Pioniere, als sie die erste Winzer-Genossenschaft im Ahrtal gründeten. Nach dem Leitspruch von Herrn Raiffeisen, der bis heute trägt "Was einer alleine nicht schafft, das schaffen viele!"
Hier werden Baumaterialien gesammelt, Spenden aus ganz Deutschland. Jeder bedürftige Flutgeschädigte kann sich hier Material holen, alles ist gratis und zeugt von der großen SolidAHRität der Menschen, die mitfühlen – und das sind zum Glück überwältigend viele!
Auch der Globus Baumarkt in Petersberg hat auf ein Hilfegesuch aus dem Ahrtal Sonderpreise für Elektromaterialien eingeräumt, sodass potenzielle Spender dort Elektromaterial einkaufen konnten.
Das beflügelte uns letzten Samstag, als wir die beiden LKW beluden – ein ganz großes Dankeschön an Karl-Michael Kress, sowie die Helfer aus Wissels und Wisselsrod für ihre tolle Unterstützung.
Auch ganz viele junge Menschen kommen, meist per Helfer-Shuttle ins Ahrtal. All das ist privat organisiert. Sie alle leisten Unglaubliches! Sie nehmen die Mühen auf sich und nehmen ein Lächeln der Flutopfer und ein Dankeschön aus tiefstem Herzen mit nach Hause. Das ist der größte Verdienst, den man sich vorstellen kann.
Dieses Gemeinschaftsgefühl hat auch mich berührt und gepackt. Deshalb brechen wir Sonntag in aller Frühe von Fulda auf in Richtung Ahrtal, ins Flutgebiet.
Wir haben uns telefonisch im Baustoffzelt angekündigt und werden schon auf der Bundesstraße vor Walporzheim erwartet. Mit den großen LKW können wir nicht direkt bis an das Zelt fahren. Die Paletten müssen auf ein kleineres Fahrzeug umgeladen werden, als Shuttle dient ein LKW der Firma Paletten Krenzer aus Poppenhausen. Auch die Firma Krenzer stellt bereits seit Wochen Fahrzeuge für die Fluthilfe zur Verfügung. Unentgeltlich, inklusive Manpower.
Hier im Ahrtal mangelt es an sämtlichen Materialien. Die Menschen sind nach wie vor auf Spenden und tatkräftige Unterstützung angewiesen. Über 3.000 Häuser müssen wieder instandgesetzt werden und der Winter rückt mit großen Schritten näher.
Beim Umladen treffe ich einen besonderen Fluthelfer wieder, dem ich schon auf meiner Baustelle in Marienthal begegnet bin. Er ist bereits seit sechs Wochen im Einsatz und versorgt aus seinem Volvo mit Anhänger heraus die Helfer vor Ort mit Brötchen, Kaffee und Getränken. Alles in Eigeninitiative und finanziert durch private Spenden. Mittlerweile hat sein Fahrzeug einiges mitgemacht, aber Beulen und Kratzer sind ihm egal. Auch eine defekte Seitenscheibe hält ihn nicht von seiner Arbeit ab. Das Wichtigste für ihn ist die Freude in den Gesichtern der Menschen. Das erzeugt auf beiden Seiten Glücksgefühle, die hier im Krisengebiet überall ausgetauscht werden und die Menschen beflügeln über sich hinaus zu wachsen!
Auf dem Weg ins Helferlager treffe ich Sven. Ihn und einige andere aus meinem Bauteam lässt das Virus Ahrtal ebenfalls nicht los. Die Jungs und Mädels fahren seit Wochen jedes Wochenende ins Ahrtal und machen Menschen glücklich. Die Truppe trifft sich jedes Wochenende auf dem Gelände des Helfer-Shuttle. Einige haben ihr Auto mittlerweile so umgebaut, dass sie bequem darin schlafen können. Für diesen Einsatz ziehe ich meinen Hut und zolle höchsten Respekt.
Auf der Fahrt von Fulda ins Ahrtal begleitete mich mein Schwager. Auf meine Frage, ob er es sich die Situation vor Ort so vorgestellt hat, sagte er nur: Du hast zwar viel erzählt, aber das es hier so aussieht, das habe ich nicht gedacht. Dabei ist Walporzheim im Vergleich zu anderen Ortschaften mittlerweile auf einem sehr guten Entwicklungsstand wenn ich bedenke, wie es hier an Tag 1 nach der Flut ausgesehen hat. Meterhohe Anschwemmungen im Durchgang zwischen der Kapelle und dem Sternerestaurant St. Peter.
Ich werde weiter für den Wiederaufbau im Ahrtal "trommeln" und hoffentlich vielen Menschen die Spendenaktion ans Herz legen und weiteres Baumaterial sammeln. Jeder Euro, jeder Sack Putz, jeder Eimer Farbe, jede Schraube hilft den Menschen und gibt ihnen eine Perspektive für die Zukunft. Die nächste Tour ist bereits geplant, am Sonntag, den 26. September, können wir hoffentlich wieder viele Flutopfer mit unseren Spenden glücklich machen.
Ihre Spenden und Hilfsangebote sind überlebenswichtig und hochwillkommen, melden Sie sich bitte per Mail an: osthessen-hilft@gmx.de
Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bei allen großherzigen Spendern, Helfern, Unterstützern und Multiplikatoren der "Hilfsaktion Wiederaufbau – Osthessen hilft!" bedanken. Mit ihrer Unterstützung konnte schon vielen Menschen geholfen werden. Von Herzen DANKE!" (Sebastian Reinhardt) +++
Sebastian Reinhardt startet "Hilfsaktion Wiederaufbau - Osthessen hilft!"
Zweiter Teil des Tagebuchs aus dem Hochwassergebiet von Sebastian Reinhardt
"Chaotisch, gefährlich und berührend!" - Sebastian Reinhardt als Helfer im Ahrtal