248 Personen erstmals geimpft

Marathon: "Kompass Leben" impft in den Werkstätten und Wohneinrichtungen

„Ärmel hoch“ hieß es für Tim Hansel von Kompass Leben e.V. und 64 andere an diesem Tag im Haus am Michelsbach.
Fotos: Traudi Schlitt

15.04.2021 / HERBSTEIN / ALSFELD - Auch für sie ist seit einem Jahr Ausnahmezustand: Die Menschen, die in den Einrichtungen von Kompass Leben e.V. leben und arbeiten, mussten ihren Alltag den Anforderungen der Pandemie unterordnen. Nicht immer war das leicht, zumal während des ersten Lockdowns die Werkstätten geschlossen und die Wohneinrichtungen für Besucher geschlossen wurden. Mit der Zeit haben Werkstatt- und Einrichtungsleitung Konzepte entwickelt, die einen Lebens- und Arbeitsalltag unter Coronabedingungen ermöglichen.



Dazu gehören regelmäßige Tests sowohl bei den Klienten als auch dem Betreuungspersonal. Auch das Einhalten von Hygiene- und Abstandsregeln ist Teil des Alltags geworden. Für Menschen mit kognitiven Einschränkungen, wie sie unter dem Dach des sozialen Dienstleisters leben und arbeiten, nicht immer leicht, dennoch: "Wir können bisher nur den Hut davor ziehen, wie gut unsere Klienten die ganze Last mittragen", so die Vorstandsvorsitzende Katja Diehl, "von unserem Betreuungspersonal ganz zu schweigen – sie alle haben eine Menge geleistet und tun es noch".

Es wird geimpft!

Doch nun gibt es einen Lichtstreif am Horizont: Es wird geimpft in den Alsfelder und Herbsteiner Häusern. Der erste Durchlauf wurde bereits beendet und 248 Menschen haben ihre erste Dosis zum Schutz vor einer Corona-Infektion erhalten. Organisiert wurde das Ganze von einem Team von Kompass Leben e.V. in Kooperation mit dem Impfzentrum Alsfeld und der City Ambulanz Alsfeld, die die Dokumente prüft und die Impfnachweise erstellt, sowie den impfenden Hausarztteams vor Ort.

Isabelle Konle, Teilhabecoach im Haus am Michelsbach in Herbstein, berichtet davon, wie aufwändig die Aktion in einer Einrichtung wie Kompass Leben e.V. ist: "Viele unserer Klienten haben gesundheitliche Einschränkungen, daher ist eine gute Anamnese wichtig", erläutert sie und zeigt sich sehr erleichtert, dass mit den impfenden Hausärzten genau diejenigen vor Ort sind, die die Menschen ohnehin schon kennen: "So ist auf jeden Fall das Vertrauen groß, denn einige von ihnen haben natürlich auch ein wenig Angst vor der Impfung." Insgesamt aber stellen Konle und ihre Kolleg:innen fest, dass auch die Klienten die Notwendigkeit des Impfens verstehen, nicht zuletzt, weil ihr Alltag seit einem Jahr ohnehin von der Pandemie bestimmt ist.

Jede Menge Papierkram

"Mit zu den Vorbereitungen gehörten auch Gespräche mit den gesetzlichen Betreuern unserer Klienten, denn diese müssen der Impfung ja auch zustimmen." Und so ist es eine Menge Papierkram, den es im Vorfeld eines jeden Impfdurchgangs zu erledigen gibt und den Sascha Diederich, Einrichtungsleiter im Haus am Michelsbach, und Verwaltungsfachkraft Martin Volz als Verantwortliche am Eingang zum hausinternen Impfzentrum überprüfen müssen.

Ein großer Multifunktionsraum unterm Dach wurde hierfür hergerichtet. Hier sitzt auch das Team der City-Ambulanz mit seinem Equipment und hier haben die Hausarztteams kleine, abgeteilte Kojen zum Impfen, denen sich ein Wartebereich anschließt, in dem die frisch Geimpften die obligatorische Viertelstunde warten müssen. Menschen mit Einschränkungen werden hier fürsorglich begleitet, bis sie den Raum wieder verlassen können. Zur Logistik des Impfens bei Kompass Leben e.V. gehörte auch das sinnvolle Einteilen von Impfgruppen an jeweils zwei Tagen. "Um das Risiko von Ausfällen aufgrund von Beschwerden nach der Impfung zu verteilen, haben wir die Gruppen so aufgeteilt, dass wir auch bei einer bestimmten Ausfallquote noch genug Personal hätten, um arbeitsfähig zu bleiben und uns auch um eventuell betroffene Bewohner zu kümmern", führt Isabelle Konle aus.

Hoffnung auf ein wenig Normalität

Denn nicht nur die Bewohner:innen der Wohneinrichtungen von Kompass Leben werden geimpft, auch alle Personen aus dem Betreuerstab sind berechtigt und willens. Tim Hansel, der aktuell eine Ausbildung zum Erzieher macht und als Gruppengehilfe arbeitet, freut sich, "dass der Tag endlich gekommen ist." Wie alle Menschen hofft er mit dem Impfschutz auf ein wenig Normalität und auch auf Erleichterungen.

Alle Mitarbeiter:innen werden derzeit täglich getestet – ein großer Aufwand, nicht nur für den Arbeitgeber, sondern auch kein wirklicher Spaß für das Personal. Und Hansel hat noch einen Grund, sich impfen zu lassen: "Wir tragen alle Verantwortung füreinander, daher sollte man sich unbedingt impfen lassen", findet der 35-jährige Herbsteiner, der damit nicht nur die Corona-Impfung meint, sondern auch weitere Impfungen mit einschließt. Sprach’s, krempelte die Ärmel hoch und ließ sich piksen – sowie weitere 64 Menschen an diesem Tag, die bald wieder sicherer durch ihr Leben und das von anderen gehen werden. (pm) +++

Den Überblick behalten Martin Volz, Isabelle Konle und Sascha Diederich (v.l.n.r.).

Gemeinsam mit ihrer Betreuerin Madelene Büttner (Mitte) freuen sich Anette Werner (links) und Jonas Ruhl in der Wohnstätte in Altenburg auf die Impfung.
Foto: Thomas Grünewald

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