Vernetzung von Polizei und Ehrenamtlichen

Innenminister beraten nach Angriff auf Ecke über mehr Schutz

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und die Länder-Ressortchefs schalten sich heute in einer Videokonferenz zusammen, um nach Angriff in Dresden über besseren Schutz zu beraten.
Foto: Britta Pedersen/dpa

07.05.2024 / REGION - Ein SPD-Politiker wird in Dresden angegriffen - es ist nicht der einzige Fall. Nun sprechen die Innenminister über besseren Schutz. Es geht um mehr Präsenz der Polizei, aber auch um das Strafrecht.



Die Innenminister von Bund und Ländern beraten nach gewaltsamen Angriffen wie auf den sächsischen SPD-Europapolitiker Matthias Ecke über mehr Schutz für Mandatsträger und andere politisch engagierte Menschen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und die Länder-Ressortchefs schalten sich in einer Videokonferenz am frühen Abend zusammen.

Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Brandenburgs Ressortchef Michael Stübgen (CDU), hatte nach einem Vorschlag von Faeser dazu eingeladen. Es gehe darum, über mögliche Maßnahmen zu beraten, um ähnlichen Angriffen vorzubeugen, teilte das Brandenburger Innenministerium mit.

Ecke ist der sächsische SPD-Spitzenkandidat für die Europawahl und war letzte Woche von vier Teenagern im Alter von 17 und 18 Jahren zusammengeschlagen worden, als er Wahlplakate für seine Partei anbringen wollte. Das Landeskriminalamt (LKA) Sachsen rechnet zumindest einen der Tatverdächtigen des Angriffs dem rechten Spektrum zu. Die vier mutmaßlichen Täter wurden ermittelt. Der Vorfall sorgte bundesweit für Entsetzen. In den vergangenen Tagen gab es auch Angriffe auf Politiker der Grünen und der AfD.

Sachsen will Bundesratsinitiative beschließen

Das sächsische Kabinett will heute Vormittag eine Bundesratsinitiative zur Strafverschärfung bei Angriffen auf Politiker und Wahlhelfer beschließen. Das kündigte Landesinnenminister Armin Schuster in den ARD-«Tagesthemen» an. Wir brauchen einen neuen Straftatbestand im Strafgesetzbuch für die Bedrohung von Amts-, Mandatsträgern und Ehrenamtlern», sagte der CDU-Politiker.

Sachsens Justizministerin Katja Meier (Grüne) betonte dazu im «Tagesspiegel», in das Strafgesetzbuch solle ein Paragraf eingeführt werden, der die «Beeinflussung staatlicher Entscheidungsträger» unter Strafe stelle. Meier zeigte sich optimistisch, dass sich die übrigen Länder und der Bund der Bundesratsinitiative von Sachsen anschließen werden. «Bei den Landesinnenministern gibt es viel Zustimmung», sagte sie. Schuster rief Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) diesbezüglich zur Mitwirkung auf.

Vernetzung von Polizei und Ehrenamtlichen

Schuster kündigte ferner die Einrichtung eines Kommunikationskanals im sächsischen Innenministerium an, wo spontane Aktionen gemeldet werden können. Ehrenamtlich tätige Menschen würden häufig spontan losgehen, weshalb es für die Polizei schwierig sei, sie zu schützen. «Wir wollen näher an die Wahlhelfer heranrücken, dafür müssen die uns aber ein bisschen navigieren», sagte Schuster. Für geplante Wahlkampfaktionen gebe es bereits eine Anlaufstelle im LKA. Sie sei für die Parteien eingerichtet worden, damit sich die Polizei darauf einrichten könne.

Schuster erwartet, dass die Justiz bei der Strafzumessung mit in Betracht zieht, dass es sich hier nicht nur um eine gefährliche Körperverletzung, sondern auch einen schweren Angriff auf freie Wahlen handele. «Da muss der Rechtsstaat Zähne zeigen», betonte der CDU-Politiker.

SPD-Bundeschefin Saskia Esken hat verhalten auf den Vorschlag reagiert, die Bedrohung von Amtsträgern oder Ehrenamtlern als Straftatbestand ins Strafgesetzbuch aufzunehmen. «Was Herr Schuster vorschlägt, ist eine Art Privilegierung von bestimmten Menschen», sagte sie bei MDR-Aktuell. Ein Ausschluss von Teilen der Bevölkerung von diesem Schutz sei schwer vorstellbar. Außerdem sei unklar, wer genau mit Amtsträgern oder Ehrenamtlichen gemeint sei. «Das finde ich schon sehr schwierig.»

Schärfere Strafen bei Angriffen im Wahlkampf gefordert

Schärfere Strafen für die Bedrohung von Politikern forderte auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Er sagte der Zeitung «Neue Westfälische», man könne «Gesetze machen und das Strafmaß deutlich erhöhen, um Gewalt gegen Kommunalpolitiker härter zu bestrafen. Man muss bei Strafen mit Abschreckung arbeiten. Wenn wir wollen, dass Kommunalpolitik noch funktioniert, dann müssen wir die Leute schützen.»

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) forderte vor der Innenministerkonferenz ein Signal der Stärke. «Angst zu haben oder sich einschüchtern zu lassen, wäre genau das falsche Signal», sagte Woidke, der auch Landesvorsitzender der Brandenburger SPD ist, der Deutschen Presse-Agentur. «Das ist genau, was nicht passieren darf.» Der offene Diskurs müsse weitergehen. Woidke fordert eine konsequente Reaktion der Innenminister: «Ich erwarte, dass ein Signal kommt, dass der vorhandene Rechtsrahmen vollumfänglich ausgeschöpft wird, dass wir vielleicht in diesem Bereich auch zu schnelleren Verfahren kommen», sagte er dem RBB.

Politikerinnen von Union und Grünen forderten die Innenministerkonferenz auf, auch für einen besseren Schutz von Wahlkämpfern durch die Polizei zu sorgen. «Mancherorts werden nicht nur Veranstaltungen, sondern wird auch das Anbringen von Wahlplakaten eng mit der Polizei abgestimmt und gegebenenfalls von ihr begleitet werden müssen», sagte die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz (CSU), der dpa.

Es dürfe nicht bei Betroffenheits-Äußerungen der Innenminister bleiben. Sie brachte eine mögliche Strafrechtsverschärfung ins Spiel. «Gegen Beleidigungen sind Politiker mit einem erhöhten Strafrahmen besonders geschützt, gegen Körperverletzungen aber nicht.» Auch das gehöre auf den Prüfstand.

«Wir wissen, wo Du wohnst und wo Deine Kinder zu Schule gehen»

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, ermahnte die Innenressortchefs, nach ihrer Konferenz nicht ohne konkrete Vereinbarungen auseinanderzugehen. Die Ministerinnen und Minister müssten vor allem besprechen, «wie von Bund und Ländern ausreichend Polizeikräfte organisiert werden können, um bevorstehende Wahlkampfveranstaltungen hinreichend abzusichern». Die Grünen-Politikerin forderte «eine genaue Analyse der möglichen Mobilisierung solcher Angriffe und ein klares Konzept für geeignete Schutzmaßnahmen».

Eine Verschärfung des Strafrechts hält auch der Deutsche Städtetag für angebracht. Präsident Markus Lewe sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: «Nachstellungen, Aufmärsche vor Wohnhäusern und Bedrohungen wie «Wir wissen, wo Du wohnst und wo Deine Kinder zu Schule gehen», müssen geahndet werden können. Das gehört ins Strafgesetzbuch.» Lewe, der Oberbürgermeister in Münster ist, forderte zudem Schwerpunktstaatsanwaltschaften, um «schneller und zielgenauer agieren» zu können.

Der IMK-Vorsitzende Stübgen warnte vor überzogenen Erwartungen an die Polizei. «Gewalt und Hetze in unserer Gesellschaft betreffen nicht nur die Innenpolitik. Verrohung und Enthemmung sind ein Problem für die gesamte Gesellschaft», sagte der CDU-Politiker der «Rheinischen Post» (Dienstag). «Wer erwartet, dass die Polizei alle Probleme lösen kann, der verkennt die Herausforderungen, vor denen wir stehen.»

Reul glaubt nicht an umfassenden Politiker-Schutz

NRW-Innenminister Herbert Reul glaubt nicht daran, dass sich der Schutz von Politikerinnen und Politikern durch mehr Polizeipräsenz wesentlich verbessern lässt. «Ist doch irre zu glauben, wir könnten alle Politiker einzeln beobachten», sagte Reul am Dienstag im «Morgenecho» auf WDR 5. «Allein von der Menge geht's nicht», so Reul. «Es sind doch Zehntausende.» So viele Polizisten gebe es gar nicht, zumal die auch noch alles andere machen müssten.

Dazu komme: «Ich will so eine Gesellschaft auch nicht, wo neben jedem Politiker auf der Straße auch noch ein Polizist steht. Ist schon schlimm genug, wenn ich welche um mich rum habe.» Man dürfe sich jetzt nicht verrückt machen lassen, sagte der CDU-Politiker: «Wir dürfen uns nicht von ein paar Verrückten unsere Gesellschaft und unsere Art, Politik zu machen und Demokratie zu organisieren und miteinander zu reden und Bürgernähe zu haben, kaputt machen lassen.» (dpa) +++

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