Seit fünf Jahren im Amt

Bischof Michael Gerber: "Wir werden Wachstum neu definieren müssen"

Bischof Dr. Michael Gerber, seit März 2019 im Amt
Fotos Rene Kunze

28.04.2024 / FULDA - Der Fuldaer Bischof Dr. Michael Gerber, der seit März 2019 und damit im sechsten Jahr im Amt ist, blickt auf die meisten Menschen herab. Doch nicht qua seiner Amtswürde, sondern naturgegeben. "Ich bin 1,92 m groß", sagt er und lächelt sein gewinnendes Lächeln. Wenn er in Fulda unterwegs ist, wird er erkannt, oft gegrüßt und angesprochen - und ist zugewandt und auf Augenhöhe. Ein nahbarer Bischof, der in der Domstadt gut vernetzt ist und sich hier offensichtlich wohl fühlt.



Die Menschen und die Landschaft hier seien für ihn denen seiner badischen Heimat gar nicht unähnlich. "Ich habe auch die Fuldaer Umgebung mit ihren gepflegten intakten Dörfern mit alter, gut erhaltener Bausubstanz schätzen gelernt und meine Entscheidung, das Amt hier zu übernehmen, noch keinen Tag bereut", sagt Gerber im Gespräch im Bischofshaus. Einziger Nachteil seien die 300 Kilometer Distanz zu Verwandten und Freunden in Freiburg und im Schwarzwald. Doch angekommen ist er in der Region auch deshalb leicht, weil ihm die Menschen ohne Vorbehalte entgegengekommen seien. "Und es ist eine gute Tradition im Fuldaer Land, dass sich die verschiedenen gesellschaftlichen Kräfte zum Nutzen aller verbinden und gut zusammenhalten."

Dass in diesem vorbildlichen Sinne auch schon Kinder- und Jugendliche Verantwortung für das Gemeinwohl übernehmen, habe man zuletzt beim tollen Engagement der 72-Stunden-Aktionen erfahren. Die Kirche müsse noch mehr solcher Räume schaffen, in denen Jugendliche auf diese Weise Selbstwirksamkeit erfahren könnten. "Wir müssen uns als Kirche fragen lassen, was unser Beitrag, unsere Aufgabe auch angesichts schwindender Mitgliederzahlen, weniger Personals und abnehmender Ressourcen ist und Verantwortung über das eigene Klientel hinaus übernehmen", lautet Gerbers Antwort. 

"Kirche muss Menschen helfen zu wachsen"

Angesichts weltweit schwerwiegender Probleme wie ungerechten Strukturen, dem durch uns verursachten Klimawandel und der auch dadurch ausgelösten Migration müsse man vor den vereinfachenden Antworten von Extremisten warnen. Kirche müsse den Menschen in diesen Zeiten des Umbruchs auch zu mehr Resilienz verhelfen, sie dazu befähigen, Widersprüche auszuhalten, gemeinsam kreative Lösungen zu finden und dadurch zu wachsen. In diesem Sinne müsse der Begriff Wachstum ganz neu definiert werden, gibt der Bischof zu bedenken.

In den von Mitgliederschwund und Priestermangel geprägten Zeiten liege aber durchaus auch die Chance, die Kräfte zu bündeln, sich neue Mitstreiter zu suchen und enger zusammenzurücken. Das heiße auch, mehr Laien zu befähigen und noch mehr Frauen in kirchlichen Gremien einzubinden. "Auch die Ökumene hat unter diesem Aspekt nochmal an Bedeutung gewonnen", betont Gerber und freut sich darüber, wie eng und gut er mit seiner Kasseler Amtsschwester, Bischöfin Bettina Hofmann kooperiert, die im selben Jahr wie er ordiniert wurde. "Wir sind in ständigem Kontakt und Austausch." Diese segensreiche und enge Zusammenarbeit von Bistum Fulda und der Evangelischer Kirche von Kurhessen-Walddeck werde im Mai auf dem Hessentag in Fritzlar mit einer gemeinsamen Vereinbarung besiegelt. Unter dem Motto "Not macht erfinderisch" habe das gute Verhältnis der beiden christlichen Gemeinden zum Beispiel in Neukirchen (Schwalm-Eder-Kreis) zu einer pragmatischen Lösung geführt. Statt der sanierungsbedürftigen katholischen Kirche werde jetzt die protestantische von beiden Konfessionen zusammen genutzt. Sicher ganz im Sinne des gewünschten Zusammenrückens. (Carla Ihle-Becker)+++

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