Ein botanisches Juwel

Die Schach(brett)blume, purpurne Symbolpflanze des Sinngrundes

Die Schachblume im Sinntal.
Fotos: Annelore Welzenbach / Hans-Peter Ehrenberger

22.04.2023 / RHÖN - Vor 40 Jahren rettete sie einem Studenten der Forstwissenschaftlichen Fakultät München in der dritten Botanik-Wiederholungsprüfung im übertragenen Sinne den A…llerwertesten, sprich durch eine gute Note die Fortsetzung des Studiums: Fritillaria meleagris, besser (allerdings nur wenigen wirklichen Enthusiasten gut) bekannt als Schach(brett)blume! Mit großem Wissen brillierte besagter Studiosus seinerzeit zu diesem botanischen Juwel seines Heimatdorfes, das nur noch an wenigen Standorten in Deutschland wächst - vor allem im hessischen und bayerischen Grenzgebiet auf und in den feuchten Wiesen des Sinntales, das als ihr bedeutendster Lebensraum gilt.



Jetzt (Mitte April bis Anfang Mai) ist die Hauptblütezeit dieser gleichermaßen seltenen wie sensiblen violett-roten Pflanze mit ihren imposanten Blütenkelchen, was in diesen Tagen im unterfränkischen Obersinn und osthessischen Altengronau mit Festen, Wanderungen, Führungen und Exkursionen entsprechend gewürdigt, ja dem Wahrzeichen des Sinngrundes, auch Kiebitzei genannt, regelrecht "gehuldigt" wird. Eigentlich…? Eigentlich! Denn die Natur lässt sich nicht von menschengemachten Terminen beeindrucken, nur schwerlich steuern und lenken.

So war das farbenprächtige Blütenmeer in den weitläufigen feuchten, ökologisch noch weitgehend intakten Sinntal-Auen mit den Relikten der so genannten "Rücken-Wiesen" mit ihrer speziellen Bewässerung und schonenden Mahd, in deren Flora- und Fauna-Habitat sich zudem noch Butterblumen, Wiesenschaumkraut, das kleinblättrige Knabenkraut sowie unter anderem der Wiesenknopf-Ameisenbläuling (eine rare Schmetterlings-Art) und auch Eisvogel, Fischotter und Biber (wieder) wohl und heimisch fühlen, nur in Ansätzen zu erkennen. Die zu diesem Zeitpunkt sonst schon üppige Schachbrettblumen-Pracht hat sich in diesem Jahr bis dato freilich noch nicht so richtig entfacht. Aktuelle Gründe hierfür waren und sind wohl zuletzt späte Nachtfröste, peitschende Regenschauer und Überflutungen der Sinn-Wiesen gewesen, so dass sich das (geschätzt) 20-millionenfache Blütenmeer bisher noch nicht vollends und wie zu diesem Zeitpunkt sonst eigentlich üblich entfaltet hat.

So kamen deshalb am vergangenen Wochenende, nicht zuletzt auch aufgrund der feuchten Witterung, nicht so viele Naturliebhaber aus Unterfranken, Osthessen, dem Main-Kinzig-Kreis und Rhein-Main-Gebiet zum mittlerweile 21. Schachblumenfest nach Obersinn. Altengronaus Landfrauen allerdings hoffen, dass an diesem Sonntag, 23. April, ab 11.30 Uhr auf dem ARGE-Platz im Aspenweg, bei ihrem Schachblumenfest mehr als nur Einzelexemplare der "Fritillaria meleagris" an Straßenböschungen zu bewundern sind. Der rote Teppich für die purpurne Symbolpflanze des Sinngrunds ist für Besucher und Bestauner jedenfalls ausgerollt!

Hintergrund

Die Schachblume, auch Schachbrettblume oder Kiebitzei genannt, ist eine Pflanze aus der Familie der Liliengewächse. Sie verdankt ihren Namen ihrer schachbrettartig gemusterten, purpurbraunen Blüte, mit der sie in jedem Frühjahr von Ende April bis in die ersten Maitage hinein die Feuchtwiesen des Sinntales überzieht. Sie wächst aus einer runden Zwiebel von etwa 1 bis 2 cm Durchmesser und treibt im zeitigen Frühjahr einen etwa 15 bis 20 cm langen, unverzweigten und fast runden Stängel. An diesem stehen vier bis fünf schmalrinnige und graugrün gefärbte Blätter. Von April bis Mai entwickeln sich die meist einzeln stehenden glockenförmigen, nach unten hängenden Blüten.

Diese sind schachbrettartig purpurrot-weiß oder grünlich-weiß gefleckt. Die fast geruchlose Blüte besteht aus sechs, etwa 4 cm langen Perigonblättern, deren stumpfe Spitze meist etwas umgebogen ist. Der oberständige Fruchtknoten setzt sich aus drei Fruchtblättern zusammen und bildet eine kantige, dreiteilige Samenkapsel mit zahlreichen Samen pro Fruchtfach aus. Die Schachblume vermehrt sich über Samenbildung und vegetativ durch Brutzwiebeln.Die Schachblume ist ein Kaltkeimer.

Die Bestäubung erfolgt über Insekten, wobei Hautflügler, wie Hummeln oder Bienen, eine zentrale Rolle spielen. In Deutschland findet sich das größte zusammenhängende Vorkommen in den Feuchtwiesen der beiden aneinandergrenzenden Naturschutzgebiete "Sinngrund" bei Obersinn und "Sinnwiesen von Altengronau".

Die Schachblume ist in Deutschland stark gefährdet und gilt nach der Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV) als besonders geschützt. 1993 wurde sie als "Blume des Jahres" ausgewählt. Sie ist hauptsächlich durch die Zerstörung ihrer natürlichen Lebensräume in Feucht- und Nasswiesen, Auwäldern und Überschwemmungsbereichen von Flüssen (Flussauen) bedroht. Außerdem wirkt sich die Behandlung der Böden durch Düngemittel bestandsmindernd aus.

Partnerschaft im Zeichen der Schachbrettblume

Seit 2005 besteht zwischen der österreichischen Gemeinde Großsteinbach und der Marktgemeinde Obersinn eine Partnerschaft der ganz besonderen Art. Eine Blume, die Schachbrettblume, welche hier und dort wächst, verbindet beide Dörfer. Die seltene Pflanze ist klein, purpurn und weiß gescheckt und als "Wahrzeichen des Sinngrunds" eine echte Rarität in Mitteleuropa. Nicht zuletzt wegen des geringen Vorkommens der Schachbrettblume wurde am 19. April 1999 im Main-Spessart- und Main-Kinzig-Kreis eine Fläche von ca. 380 Hektar als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Weil hiervon rund 72 Hektar auf das Gebiet des Marktes Obersinn entfallen, veranstaltet die Kommune seit dem Jahr 2000 zur Blütezeit der Schachblume Ende April ein gleichnamiges Fest, das längst über die Landesgrenzen hinaus bekannt geworden ist. Gerade wegen dieser für beide Gemeinden besonderen Pflanze wurde der kleine Ort Großsteinbach in der Steiermark, etwa 30 Kilometer von Graz entfernt, auf den unterfränkischen Markt aufmerksam. (Quelle: Homepage der Gemeinde Obersinn). (Hans-Peter Ehrensberger) +++

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