Hochschule startet Forschungsprojekt

"Gesundheitsversorgung für Frauen nach häuslicher und sexueller Gewalt"

Die Hochschule in Fulda
Archivfoto: O|N/ Jonas Wenzel (Yowe)

30.11.2020 / FULDA - Gewaltbetroffene Frauen nehmen häufig Angebote der Gesundheitsversorgung in Anspruch. Doch bleiben die Gewalterfahrungen oft unerkannt oder sie werden vor allem als strafrechtlicher Sachverhalt betrachtet. Dabei könnten Gesundheitsfachkräfte zu ersten Ansprechpartner werden. Das Forschungsprojekt "Gesundheitsversorgung für Frauen nach häuslicher und sexueller Gewalt im Land Hessen" (FraGiL) der Hochschule Fulda will daher erheben, wie sensibilisiert das Gesundheitspersonal für das Thema ist und wie es von Gewalt betroffene Frauen versorgt mit dem Ziel, Versorgung und Prävention zu verbessern.



Seit in Deutschland 2018 das Gesetz zur Ratifizierung der Istanbul-Konvention des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt in Kraft getreten ist, gelten für die gesundheitliche Versorgung betroffener Frauen hierzulande neue Anforderungen an Prävention und Intervention. Gesundheitsfachkräften kommt dabei eine besondere Rolle zu. Durch vertrauensbildende Maßnahmen können sie zu ersten Ansprechpartner*innen für die betroffenen Frauen werden. Laut Leitlinie der WHO zum Umgang mit Gewalt in Paarbeziehungen und sexueller Gewalt gegen Frauen sind neben einer ersten adäquaten Behandlung die Krisenintervention, die gerichtsfeste Dokumentation von Verletzungen, die Weitervermittlung und Nachsorge wichtige Aufgaben der gesundheitlichen Versorgung. Doch häufig wird Gewalt gegenüber Frauen eher als ein strafrechtlicher Sachverhalt betrachtet. Innerhalb von Paarbeziehungen gilt sie viel zu häufig noch als privates Problem.

"Gewalt wird noch viel zu selten als gesundheitliches Problem gesehen", sagt Professorin Dr. Daphne Hahn von der Hochschule Fulda, die das Forschungsprojekt leitet. "Es ist wichtig den Blick darauf zu richten, was Gewalt mit der Gesundheit der Betroffenen macht." Die physischen und psychischen Folgen reichen von Verletzungen, Depressionen, Angststörungen und Suchtmittelmissbrauch bis hin zu Einschränkungen in der perinatalen und mütterlichen Gesundheit wie Früh- und Fehlgeburten, ungewollte Schwangerschaften und gynäkologische Probleme.

Bislang unzureichende Datenlage

Im Gesundheitsbereich besteht daher noch grundlegender Handlungsbedarf, um die in der Istanbul-Konvention formulierten Ziele umzusetzen. Aussagen zu den an Interventionsmaßnahmen beteiligten Akteuren, deren Aufgaben und Ziele, Art und Umfang konkreter Angebote sind derzeit nicht möglich. Auch ist nicht klar, wer die Angebote in Anspruch nimmt, welche Ressourcen für Interventionsmaßnahmen zur Verfügung stehen und wie sie organisiert sind. Fest steht dagegen: Bisher sind die in der Gesundheitsversorgung vorhandenen Ressourcen kaum koordiniert und werden nur unzureichend für die Intervention und Prävention genutzt.

In Hessen hat die Landesregierung 2004 einen Aktionsplan zur Bekämpfung der Gewalt im häuslichen Bereich vorgelegt. 2011 wurde dieser Plan aktualisiert. Er schließt Anleitungen zur gerichtsfesten ärztlichen Dokumentation ein. In allen Landkreisen und kreisfreien Städten existieren Runde Tische gegen häusliche Gewalt. Allerdings ist unklar, welchen Stellenwert die gesundheitliche Versorgung in diesem Rahmen beigemessen wird.

Systematische Übersicht für Hessen

Das Forschungsprojekt FraGiL will nun eine systematische Übersicht über bestehende gesundheitliche Versorgungsangebote und bestehende Kooperationen zum Thema Gewalt in Hessen erarbeiten. Dazu werden die Wissenschaftler*innen unter anderem Experteninterviews mit Gesundheitsfachpersonal in Kliniken und anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens sowie mit Mitarbeitern in Schutzambulanzen und bestehenden Koordinierungsstellen führen.

Das Projekt will dazu beizutragen, die gesundheitliche Versorgung von Betroffenen häuslicher und sexualisierter Gewalt entsprechend der evidenzbasierten Leitlinien der WHO zu gewährleisten und die Thematik strukturell im Gesundheitswesen zu verankern. Insgesamt soll der Gesundheitsbereich systematisch in die Prävention und Intervention bei häuslicher und sexualisierter Gewalt integriert werden. Ziel ist es auch, Empfehlungen für die Einrichtung einer Koordinierungsstelle der gesundheitlichen Versorgungsangebote bei Gewalt zu formulieren. Längerfristig sollen die Folgen nach Gewalterfahrungen reduziert werden.

Das Forschungsprojekt wird vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst gefördert und läuft noch bis Ende Februar 2022. Der komplette Projekttitel lautet: FraGiL – Gesundheitsversorgung für Frauen nach häuslicher und sexueller Gewalt im Land Hessen: Bestandsaufnahme und Möglichkeiten der Umsetzung der Istanbul-Konvention. (pm) +++

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