"I have a dream" - nie wieder Krieg!

Gedenkstunde: 76. Jahrestag der Luftschlacht über dem Seulingswald

Die Reservisten mit den Gästen v. links: Bürgermeister Wilfried Hagemann, Ehrenbürgermeister Thomas Baumann, erste Kreisbeigeordnete Elke Künholz, Pfarrer Jörg Scheer, Peter Schütrumpf, und SPD-MDL Torsten Warnecke.
Fotos: Gerhard Manns

28.09.2020 / LUDWIGSAU - Gedenkfeier im Seulingswald bei Ludwigsau-Friedlos (Kreis Hersfeld-Rotenburg): An die verheerende Luftschlacht am 27. September 1944 zwischen US-Amerikanischen Bombern und Deutschen Jagdfliegern im Zweiten Weltkrieg wurde am Sonntag gedacht. Musikalisch umrahmt wurde die kurze Gedenkfeier von Trompeter Leander Heise mit einigen Trompetensolos und der anschließenden Begrüßung aller Anwesenden durch den Vorsitzenden der Ludwigsauer Gemeindevertretung Peter Schütrumpf.



Besonders begrüßte er den SPD-MdL Torsten Warnecke, die Erste Kreisbeigeordnete Elke Künholz, Ehrenbürgermeister Thomas Baumann, den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Berthold Wittich, zum letzten Mal bei einer Gedenkfeier Pfarrer Jörg Scheer, der in eine Pfarrstelle nach Fulda wechselt und eine Abordnung der Reservistenkameradschaft der Bundeswehr.

Ansprache Bürgermeister Wilfried Hagemann

"Die Führungsmaschine des US-Bombergeschwaders Geschwaders wurde vor genau 76 Jahren um 11.00 Uhr hier über dem Seulingswald abgeschossen und stürzte genau an dieser Stelle ab, wo heute die Gedenkstätte an dieses katastrophale Ereignis erinnert", erklärte Bürgermeister Wilfried Hagemann. In der heutigen Zeit sei es nicht selbstverständlich, dass man sich der Vergangenheit erinnere. "Das gemeinsame Miteinander, die Achtung und die tragenden Säulen unserer Demokratie werden immer weniger geschätzt und gewürdigt. Die Achtung vor dem staatlichen Aufbau und dessen Organisationen widerfährt immer weniger Akzeptanz", so Hagemann weiter.

Die Gedenkfeier stehe daher nicht nur unter dem Zeichen des Gedenkens und der Erinnerung an die Vergangenheit, sondern auch als zukünftige Mahnung und Versöhnung. "Unsere amerikanischen Freunde können wir in diesem Jahr wegen der weltweiten Pandemie leider nicht begrüßen. Das Covid 19 Virus zwingt auch uns bei dieser Gedenkfeier die Hygienevorschriften einzuhalten", sagt der Bürgermeister abschließend. 

Die Luftschlacht vor 76 Jahren

Es jährt sich zum 76. Male das Gedenken an eine der dramatischsten Luftschlachten des Zweiten Weltkriegs, welche am 27. September 1944 im Raum zwischen Bad Hersfeld und Eisenach stattfand. Von den 35 Flugzeugen gingen 31 verloren. Der ganze Bomberpulk wäre zum Opfer gefallen, wären nicht in letzter Minute herbei gefunkte US-Begleitjäger zur Hilfe gekommen. 118 Amerikaner starben, darunter waren 11 Piloten, die nach ihrer Fallschirmlandung ermordet wurden. 121 überlebten in deutscher Kriegsgefangenschaft. Es waren die höchsten Verluste, die eine US-Bombergruppe bei einem Einsatz je erlitt. Auf deutscher Seite gingen 29 Jagdflugzeuge verloren. 18 Piloten fanden den Tod. Sieben weitere unbekannte Tote forderte der Absturz einer deutschen Maschine auf ein Lazarett.

30 Jahre ist es nun her, dass diese Gedenkstätte mit Mitteln des damaligen Bundeskanzlers Dr. Helmut Kohl, der Hessischen Landesregierung und während der Amtszeit des Ministerpräsidenten Hans Eichel, des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge e.V., Spenden von privater Seite aus der Bundesrepublik Deutschland sowie aus den USA, mit Unterstützung der Gemeinde Ludwigsau und der Hessischen Forstverwaltung, in der Nähe der Absturzstelle der Führungsmaschine, errichtet wurde.

Mahnende und besorgte Worte

Gefühlt sei die Gesellschaft aggressiver geworden. Eine Gesellschaft, die sich selbst beschleunige und im Desaster enden werde. Bestimmte Formen des Auftretens, des Verhaltens im Alltag, die lange Zeit als unproblematisch galten, würden mittlerweile als aggressives Verhalten gebrandmarkt, weil sich das Verhältnis von Gesellschaften grundsätzlich geändert habe. In den letzten zehn Jahren sei die Anzahl der demokratischen Staaten weltweit erschreckend schnell zurückgegangen. "Erleben wir gerade eine Zeit, die uns die Fesseln des Innehaltens, der Besonnenheit, der Vorsicht auferlegt, das Ende der liberalen Demokratie? Warum erfolgt die Zuwendung von immer mehr Menschen hin zu antidemokratischen Strömungen? Die Fliegergedenkstätte hier im Seulingswald ist ein Ort der Erinnerung, des erhobenen Fingers unseres gesellschaftlichen staatlichen Miteinanders, dass es in einem vereinten Europa, in einem gemeinschaftlichen Weltgebilde, nie wieder geben sollte", so der Bürgermeister.

"Wir blicken zurück und wissen diese Ereignisse voller Demut zu würdigen. Wir blicken aber auch nach vorn und sehen die Irritationen des gemeinsamen Miteinanders in Europa und auf der Welt. Wir alle sind gefordert, Politik und Gesellschaft, unser Zusammenleben zu ordnen." In diesem Sinne, lassen Sie uns an diesem Ort, die Bitte und auch die Hoffnung aussprechen, dass wir nur gemeinschaftlich die größte Krise der Nachkriegsgeschichte Hand in Hand angehen und bewältigen können. Zum Wohle unserer kommenden Generationen, um diesen eine liebens- und lebenswerte Zukunft zu eröffnen. Nur gemeinsam können wir diese sich vor uns auftürmende Jahrhundertaufgabe bewältigen."

Die Anwesenden gedenkten Walter Hassenpflug, der am 26. Februar 2017 verstorben ist. Walter Hassenpflug, der Initiator dieser Fliegergedenkstätte, habe dieses Mahnmal aufgebaut, initiiert und gepflegt. "Seine persönlichen Schicksalsschläge haben diesen Ort zu seinem Lebenswerk gemacht. Er hat jedes Jahr Monate vor diesem Termin detailliert geplant, instruiert und umgesetzt. Wir verneigen uns vor Deinem Lebenswerk lieber Walter!", so die Worte des Bürgermeisters. 

Ansprache Erste Kreisbeigeordnete Elke Künholz

Elke Künholz forderte alle zum Innehalten auf, um an das Geschehene zu gedenken, dass ein solch schreckliches Ereignis sich nicht wiederholen möge. "Wir können uns alle nicht vorstellen wie es im Jahr 1944 aussah, aber wir erleben zurzeit leider ähnlich Gräueltaten auf den Kontinenten unserer Erde. In Syrien, Nigeria, Venezuela, Somalia oder Südsudan, um nur einige zu nennen, finden weiterhin Kriege statt, die viel Leid und Tod über die Menschen bringen. Man sollte meinen die Menschheit ist mittlerweile zur Vernunft gekommen, dem ist aber leider nicht so", so Künholz. 

Die Erste Kreisbeigeordnete erinnerte an Martin Luther King, der keine 20 Jahre nach dieser verheerenden Luftschlacht über dem Seulingswald in einer Rede die bemerkenswerten Worte sagte, "I have a dream" (Ich habe einen Traum). "Auch ich habe einen Traum, dass eines Tages weder die Hautfarbe, noch der Glaube, die Herkunft, welchen Geschlechts wir sind, oder wen wir lieben eine Rolle spielen darf und wir alle gemeinsam am Tisch der Brüderlichkeit sitzen können. Auch daran soll uns dieser Tag und das Gedenken hier erinnern", so Künholz. (Gerhard Manns) +++

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