Fuldaer Bezirk unter die Lupe genommen

"Wodka-Berg" und "Netto-Ghetto": ZDF hat Mehrteiler über Aschenberg gedreht

Die Hochhäuser des Aschenbergs in Fulda sind von Weitem sichtbar.
Fotos (3): ZDF / Henrik Eichmann

09.08.2020 / FULDA / MAINZ - "Wodka-Berg" und "Netto-Ghetto": Das Plateau des Fuldaer Aschenbergs genießt einen zweifelhaften Ruf - doch es steht auch für sozialen Zusammenhalt. Der gesamte Bezirk Aschenberg ist Heimat für mehr als 8.500 Menschen. Zehn Monate lang begleitete ein Kamerateam einzelne Bewohner des Aschenbergs bei der Bewältigung ihrer alltäglichen Herausforderungen. Der Doku-Mehrteiler ist als Hochglanzprojekt für die ZDF-Mediathek produziert worden.



Der Aschenberg versteckt sich nicht. Seine Hochhäuser thronen hoch über Fulda. Und doch schauen viele in der Stadt auf ihn herab. Im Bezirk leben fast 20 Prozent der Menschen von Hartz IV, und die AfD hat dort bei der zurückliegenden Landtagswahl ein hohes Ergebnis erzielt. Der Aschenberg hat viele Gesichter, Hautfarben und Kulturen von Menschen aus mehr als 70 unterschiedlichen Nationen. Die Autoren nehmen an ihrem Leben teil, erzählen von Träumen, Hoffnungen oder Sorgen der Aschenberg-Bewohner.

Mikrokosmos mitten in Deutschland

Jeder von ihnen versucht, sein persönliches Ziel zu erreichen. So wie die zehnjährige Lisa. Die Viertklässlerin ist in Kasachstan geboren. Sie spricht am besten Deutsch in ihrer Familie und will auf keinen Fall auf die Hauptschule gehen, wie es auf dem Aschenberg üblich ist. Wird sie ihr Ziel erreichen? Auch Fawad kam als Kind mit seinen Eltern auf den Aschenberg – aus Pakistan. Als Teenager ist er lieber mit seinen Jungs um die Blocks auf dem Aschenberg gezogen als in die Schule zu gehen, hat viel "Scheiße gebaut", wie er sagt. Jetzt möchte er endlich seine "verschwendete Jugend" hinter sich lassen und seine Eltern stolz machen. Daher hofft er auf einen guten Job und eine lebenswerte Zukunft, denn "von nix kommt nix, und bestimmt kein Benz", so das Motto des 22-Jährigen.  

Vor 20 Jahren war das Plateau des Aschenbergs ein sozialer Brennpunkt. Verschiedene Kulturen prallten aufeinander und es kam immer wieder zu Spannungen – bis die Stadt reagierte. Der soziale Zusammenhalt unter den Bewohnern wurde gefördert, ein Bürgerzentrum entstand. Heute engagieren sich hier viele, so wie Nezam Kiniki und Christoph Eisermann. Beide sind Streetworker auf dem Aschenberg und doch viel mehr als "nur" Sozialarbeiter: Sie helfen Jugendlichen bei Bewerbungen und sind immer da, wenn sie gebraucht werden.

Wo ungeschminkt das wahre Leben gezeigt wird

Vor fünf Jahren gründeten die zwei Freunde gemeinsam mit anderen Engagierten auf dem Aschenberg den Fußballverein SV Aschenberg United, der in der Kreisliga B spielt. Er soll vor allem jungen Migranten eine Heimat geben, die von anderen Vereinen abgelehnt wurden. Doch der SV Aschenberg United ist selbst "ohne Heimat". Seit langem kämpfen die beiden Streetworker um einen eigenen Fußballplatz, um ihre Heimspiele dort austragen zu können. Werden Nezam Kiniki und Christoph Eisermann den Bürgermeister von Fulda überzeugen können, ihnen zu helfen?

Auch die 73-jährige Katharina Hilkevic, von vielen nur Babuschka genannt, setzt sich für die Gemeinschaft ein: die Spätaussiedlerin aus Kasachstan kämpft gegen Schimmel und Müll im Treppenhaus ihres Hochhauses und gegen die stetig steigenden Nebenkosten. Dabei war die helle und renovierte Wohnung, als sie vor zwanzig Jahren hier herzog, für sie und ihren Mann ein Volltreffer. Und das, obwohl der Aschenberg so berüchtigt war: "Aschenberg hat sich früher nicht gut angehört, da ist doch die Mafia", so Katharina Hilkevic.

Die Corona-Krise zwingt den sonst so lebendigen Aschenberg zum Stillstand. Wie überall im Land sind Schulen, Kitas und Spielplätze geschlossen. Auch die Dreharbeiten für die Doku-Serie mussten unterbrochen werden. In dieser Zeit dokumentierten die Protagonisten ihren Alltag mit selbstgedrehten Homevideos.

"Aschenberg" ist die Langzeitbeobachtung eines Mikrokosmos mitten in Deutschland. Die Doku bietet Platz und Raum, um ungeschminkt das Leben der Menschen hier zu zeigen, mit all seinen Zwischentönen. Die Doku-Reihe – fünf Folgen à circa 30 Minuten – wurde für die ZDF-Mediathek entwickelt und ist ab dem 2. September online abrufbar. (pm) +++

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