Wider das Vergessen

Neubesinnung auf Europa: Winfried-Preis geht an Autorin Géraldine Schwarz

Preisverleihung mit (von links) Professor Werner Kathrein vom Kuratorium, OB Dr. Heiko Wingenfeld, Preisträgerin Géraldine Schwarz, Bettina Langer von der H.-G.-Waider-Stiftung und Laudatorin Aleida Assmann
Fotos: Jonas Wenzel (Yowe)

14.11.2019 / FULDA - Der mit 10.000 Euro dotierte Winfried-Preis der Stadt Fulda geht in diesem Jahr an Géraldine Schwarz. Nach Überzeugung der H.-G.-Waider-Stiftung, die den Preis in Abstimmung mit der Stadt vergibt, hat die deutsch-französische Journalistin, Autorin und Dokumentarfilmerin mit ihrem Buch "Die Gedächtnislosen – Erinnerungen einer Europäerin" einen bedeutsamen Beitrag zur Neubesinnung auf den Wert der europäischen Einigung und der deutsch-französischen Freundschaft geleistet. Am Mittwochabend war im Marmorsaal des Stadtschlosses die feierliche Preisverleihung.



In seiner Begrüßung erinnerte Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld zunächst an die Motivation, aus der heraus der Preis im Jahr 2001 erstmals gestiftet worden war: "Der Namensgeber und Stifter des Winfried-Preises, Heinz G. Waider, stammte aus Fulda und lebte zuletzt in Neuss. Der im Oktober 2015 verstorbene Mäzen hat Winfried Bonifatius aus zweierlei Beweggründen als prägende Persönlichkeit für die Namensgebung ausgewählt: Zum einen stellt er die Verbindung zu Waiders alten Heimat Fulda her. Was aber für Waider nach seinen Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg noch viel wesentlicher war: Mit seinem Werk hat der angelsächsische Missionar völkerverbindend und friedensstiftend gewirkt, indem er die christliche Botschaft auf dem Kontinent verbreitet hat."

Vor 18 Jahren hätten sich sicherlich viele gefragt, ob so ein Preis überhaupt noch nötig sei, so der OB. "Heute steht die EU vor einer Zerreißprobe, und ein Appell für ein geeintes Europa wird von Jahr zu Jahr drängender. 74 Jahre Frieden ist einzigartig für den Kontinent. Und da fragt man sich: Geht es uns zu gut? Das vermeindliche Selbstverständnis ist eine der größten Gefahren für Europa."

Laudatorin war die Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann, die 2018 zusammen mit ihrem Mann Jan Assmann mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet wurde. Ihr Spezialgebiet sind die Erinnerungskultur und die Gedächtnisforschung. In einem profunden Vortrag skizzierte sie den Inhalt des Buches.

Im Klappentext des secession-Verlags heißt es dazu: "Géraldine Schwarz schreibt mit ,Die Gedächtnislosen – Erinnerungen einer Europäerin' Geschichte, europäische Geschichte. Ihre hochaktuelle These: Die rechtpopulistischen Strömungen in Europa lassen sich damit erklären, wie der Kontinent nach dem letzten großen Krieg sich mit seiner Geschichte auseinandergesetzt hat. Zur Veranschaulichung verknüpft die in Frankreich aufgewachsene deutsch-französische Autorin ihre Familiengeschichte mit der großen Geschichte und stellt dazu reiches Quellenmaterial in überraschend aufschlussreiche Zusammenhänge."

Ihr Werk führe in authentischer Weise vor Augen, so Laudatorin Aleida Assmann, dass eine gelebte Kultur der Vergangenheitsaufarbeitung der Schlüssel zur Gestaltung einer von Frieden und Freiheit geprägten offenen Gesellschaft in Gegenwart und Zukunft sein kann. 

Nach der eigentlichen Preisverleihung nutzte Géraldine Schwarz den Moment für einige Worte des Dankes. Bei ihren europaweiten Lesungen stelle sie oft fest, wie wenig ihre Zuhörer über die jüngste europäische Geschichte wissen. "Wir müssen ein gemeinsames europäisches Bewusstsein entwickeln, und ich hoffe, dass mein Buch dazu einen Beitrag leisten kann." (mw) +++


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