25 Jahre Philippsthaler Pavillontheater

Ach, Hannes! Du bist erst alt, wenn dich die Versuchung meidet

Maria Grothe (Eila Vogel) buhlt ebenfalls um die Aufmerksamkeit von Hannes (Herbert Janßen)
Fotos: Gudrun Schmidl

24.09.2018 / PHILIPPSTHAL (W.) - Mit dem Lied „Theater" von Katja Ebstein stimmten die Musiker Petra Lotz, Günter Bartmann und Wolfgang von der Ehe das erwartungsfrohe Publikum in der Kreuzberghalle auf die Komödie „Ach, Hannes“ aus der Feder von Franka Michaelis ein, die das Philippsthaler Pavillontheater zum 25-jährigen Jubiläum am Samstagabend und Sonntagnachmittag präsentierte. Im Mittelpunkt des Geschehens im Seniorenheim „Abendsonne“ steht Johannes „Hannes“ Heisters, der als Neuzugang und „Hahn im Korb“ die reine Damenwohngruppe aufmischt. Hannes lebt nach dem Motto: „Du bist erst alt, wenn dich die Versuchung meidet“. Eine Rolle, die Herbert Janßen auf den Leib geschneidert ist. Überhaupt konnte dieses Stück nur gespielt werden, „weil wir unseren Herbert als Hannes haben“, betonte  Eila Vogel.



Die Laienspielgruppe um die Gründungsmitglieder Eila Vogel und Monika Götte machte mit Paul Maars „Eine Woche voller Samstage“, Otfried Preußlers „Dummer Augustine“ und „Der Kleinen Hexe“, einer Sketchparade sowie den selbst geschriebenen „Fabelhaften Geschichten“ auf sich aufmerksam, sie begeisterte in Philippsthal, der „Kulturweltmetropole im Werratal“, ging aber auch auf Tournee – weit über die Dorfgrenzen hinaus. „Es spielten Menschen aller Altersgruppen mit. Die Terminabsprachen für die Proben und Aufführungen gestalteten sich stets schwierig“, berichtet Eila Vogel, die besonders der politischen Gemeinde Philippsthal und der Evangelischen Kirchengemeinde Philippsthal für die jahrelange Unterstützung dankt.

Nach den einführenden Worten von Bürgermeister Ralf Orth und dem Rückblick von Eila Vogel ging der Vorhang tatsächlich auf und das Publikum ist mittendrin im Geschehen. Der lange Tisch ist gedeckt und er bleibt auch Hauptakteur, denn hier werden die täglichen Mahlzeiten eingenommen, die von Streitigkeiten zwischen den fünf Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, geprägt sind. Eleonore Bublitz (Andrea Merkel) ist „total gaga“ und ruft ständig nach einem Taxi. Die eitle Elfriede Bornefeld (Kornelia Schönewolf) sinniert ständig über ihre schönen Haare in jungen Jahren. Ausgerechnet jetzt, wo ein Mann neu in die Wohngruppe kommt, ist ihre Welle schon ganz platt.

Maria Grothe (Eila Vogel) schwärmt wiederholt von ihrem Sauerbraten, in den sich ihr Enkel am liebsten reinsetzen wollte. Die resolute Gerda König (Mathilde Dürr-Hohenthanner), die bis ins hohe Alter das Treppenhaus über fünf Stockwerke geputzt hat, nun aber ihren Tod durch Erfrieren plant und Bernardine von Schiller (Ulrike Erbe), die als „Frau Stock im Arsch“ bei ihren Mitbewohnerinnen einen schweren Stand hat, freuen sich ebenfalls über den männlichen Zuwachs, der in das freie Zimmer von Frau Rothmann zieht, die kürzlich „ins Gras gebissen hat“.

„Was ist hier so los?“, fragt Hannes in die Runde, der von seiner viel beschäftigten Tochter Lisa (Merle Lotz) beim Einzug begleitet wird. „Das Essen ist beschissen, die meisten machen sich nass oder sind bekloppt. Hier wird nicht geraucht oder gesoffen. Hau ab, solange du noch kannst“, wird er aufgeklärt. „Ein Seniorenheim ist nicht wie Zuhause, sie geben sich aber ganz schön viel Mühe“, wird dennoch die Arbeit von der namenlosen Pflegerin (Silvia Ochs) und Inga (Julia Koch) gelobt. Hannes bleibt.

Der zweite Frühling kommt mit den dritten Zähnen und so beginnt jede der Frauen eine kleine Romanze mit Hannes, der mit jeder einzelnen Händchen hält und seinen „Täubchen“ Nettigkeiten ins Ohr flüstert, sogar für ein „Schäferstündchen“ bereit ist. Dann nimmt das Unheil seinen Lauf. Während Gerda König im Nebenraum auf dem Sofa platziert auf ihn warten soll, er „sie über seine Kloogeschäfte womöglich vergessen hat“, friert Elfriede wartend auf der Bank im Rosengarten. Hannes ist mit seinen fünf geheimen Affären längst überfordert. Wenn es brenzlig für ihn wird, flüchtet er sich in eine beginnende Demenz, wird aber ganz schnell als „raffinierter Hund“ enttarnt.

Neun Laienschauspieler, von denen sechs zumeist mit Essen beschäftigt sind, müssen richtig gut sein, um ihr Publikum zu unterhalten. Mit großer Spielfreude, perfekt eingesetzter Mimik, Gestik und viel Wortwitz ist es ihnen gelungen. Bei diesem Laienspiel auf hohem Niveau wurden die einzelnen Charaktere bis aufs Äußerste ausgereizt, besonders Andrea Merkel als Eleonore Bublitz hatte die Lacher auf ihrer Seite. In diesem Stück sind es nicht die „Schenkelklopfer“, die erheitern, sondern die sehr humoristische Aufarbeitung zum Thema „Altern ist nichts für Feiglinge“ bringt das Zwerchfell in Wallung. Die vielen Kostümwechsel und das mehrfache Eindecken des Tisches wurden mit schwungvollen Musikstücken überbrückt.

Ende gut, alles gut. Die Heimbewohnerinnen schätzen allesamt ihre Freiheit und wissen, dass im Alter andere Regeln gelten.  Es genügt ihnen, eine von Hannes´ fünf „Täubchen“ zu sein. Für ihr Jubiläumsstück wurden die Protagonisten mit dem verdienten Applaus belohnt. Die Hoffnung ist berechtigt, dass sie sich mit diesem Stück „nicht aufs Altenteil“ zurückziehen. 2016 stand der Fortbestand des Philippsthalers Pavillontheater mit nur noch drei verbliebenen Mitwirkenden auf der Kippe. Im Jubiläumsjahr hat sich die Laienspielgruppe mit Ehemaligen und Neuzugängen die Bretter, die ihnen viel bedeuten, wieder eindrucksvoll erobert und schaut positiv in die Zukunft.  (Gudrun Schmidl) +++

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