Ziel: neuer Investor für Elm

Wie man kriselnde Unternehmen rettet? - Rolf Engeler ist Sanierer

Der kritische Blick des Sanierers
Fotos: Julius Böhm

16.07.2018 / FLIEDEN - Das Wort Insolvenz lässt die meisten Menschen schaudern. Es ist Symbol für Zahlungsunfähigkeit, schlechtes Wirtschaften - zusammengefasst: fürs Versagen. Aber zurecht? Rolf Engeler ist Sanierer. Für ihn ist die Insolvenz ein offensives Stilmittel. Er nutzt ihre Vorteile, um Unternehmen vor dem Ruin zu retten; nicht, um diesen zu besiegeln.



Seit September 2016 ist der 58-Jährige Geschäftsführer der Bio-Manufaktur Elm aus Flieden. Seit Mai befindet sich das Unternehmen im vorläufigen Insolvenzverfahren aufgrund von drohender Zahlungsunfähigkeit. Seitdem wurden fünf neue Mitarbeiter eingestellt, das Unternehmen schreibt zum ersten Mal seit Jahren wieder (fast) schwarze Zahlen. Wie passt das zusammen?

Mit Offenheit in die Insolvenz

"Das wichtigste ist, mit den Partnern frühzeitig zu sprechen", erklärt der Sanierer. Als Elm 2014 erstmals in die Insolvenz ging, wurde der Antrag lange aufgeschoben, Kunden lange hingehalten. Am Ende hatte sich ein Schuldenberg von sechs Millionen Euro angehäuft. Vor sechs Wochen waren es "nur" rund 400.000 Euro Schulden. Trotzdem stellte er den Insolvenzantrag. "Alle großen Kunden gaben uns positives Feedback für den frühzeitigen Schritt und bezahlten sofort ihre Rechnungen, damit wir wieder Liquide werden", erzählt Engeler. Im Mai war nämlich das Budget von Investor Norbert Braun aufgebraucht gewesen.

Ganz anders die Rückmeldung aus Osthessen: "Da gab es jede Menge harsche Kritik. Es tut mir leid, aber hier in der Region scheinen es einige nicht zu verstehen, dass eine Insolvenz auch Positives hat." Zum Beispiel zahlt die Bundesagentur für Arbeit drei Monate lang Insolvenzgeld, also alle Löhne von Mai, Juni und Juli. Das schafft Spielraum.

Wie wird man zum Sanierer?

Rolf Engeler kommt gebürtig aus Hannover, lebt aber an der Ostseeküste in Stralsund (- respektive unter der Woche in einer Mietwohnung in Hosenfeld). Nach einigen beruflichen Stationen, unter anderem bei der Bundeswehr und im Bankensektor, studierte er Mitte der 90er Jahre Jura. Nach dem ersten Staatsexamen 1997 heuerte er bei einer Insolvenzverwalterkanzlei in Stralsund an, wo er sein heutiges Handwerkszeug erlernte.

In den vergangenen 20 Jahren war er Geschäftsführer und/oder strategischer Berater von einem Dutzend Unternehmen - von einer Bootswerft, einem Bildungsträger, mehreren Bau- und lebensmittelverarbeitenden Betrieben. Jedoch immer nur, um den Unternehmen auf die Beine zu helfen. So auch seit eineinhalb Jahren in Flieden.

Die Zahlen geben ihm recht

Schaut man sich die nackten Zahlen an, wird Engelers Strategie bestätigt. Von Januar bis Mai 2017 schrieb Elm einen Verlust von mehr als eine Million Euro. Derselbe Zeitraum 2018 wurde mit einem kleinen Minus von 78.000 Euro abgeschlossen - mit demselben Umsatz und 20 Mitarbeitern weniger.

"Das ist meine Aufgabe und dafür werde ich bezahlt", fasst Engeler nüchtern zusammen. Dazu gehört aber auch, Mitarbeiter zu entlassen. 20 Stück waren es im Frühjahr bei Elm. "Da bin ich sehr unromantisch. Zieht jemand nicht mit oder wird er nicht gebraucht, muss er gehen. Ich habe das große Ganze im Blick."

Rolf Engeler ist kein Saftexperte. Das will und muss er aber auch nicht sein. In seinen Augen sind Menschenkenntnis und ein gewisses Organisationstalent wichtiger. "Mittelständische Betriebe sind für ihre Mitarbeiter deutlich mehr als ein Arbeitgeber. Es gibt Beziehungen, die Kollegen werden zur Ersatzfamilie. Meine Aufgabe ist es, den Menschen mit Respekt zu begegnen, ihnen meine Idee und Plänen teilhaben zu lassen und sie so zu motivieren."

Bis Weihnachten soll Elm verkauft sein

Engeler hat das Team nach seinen Wünschen ausgetauscht und verkleinert, eine Kultur der Kommunikation eingeführt und einen Plan für die Zukunft aufgestellt. "Wir müssen etwas mehr als eine Million in Maschinen investieren, damit wir schneller werden", führt er auf, "wenn wir dann bis zu 6.000 Flaschen die Stunde produzieren können, halte ich 2021 einen Gewinn von bis zu eine Million Euro für durchaus realistisch."

Wenn alles so weiterginge wie bisher, könne seine Arbeit schon bis Weihnachten erledigt sein. Er will die Biomanufaktur nämlich an einen neuen Investor abgeben. Drei aussichtsreiche Gesprächstermine sind in den kommenden Wochen vereinbart. "Wir wollen hier nämlich Arbeitsplätze sichern und ein zukunftsfähiges Unternehmen abgeben", so Engeler. Dann wäre er wieder weg aus der Region. Aber der nächste Auftrag, das nächste kriselnde Unternehmen wartet schon jetzt auf ihn. (Julius Böhm) +++

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