Zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig

Tafel bangt um Existenz - Leistungsmissbrauch, Kinderarmut und bitterarme Rentner

Ehrenamtliche und Vorstand Wolfgang Arnold in den Ausgaberäumen
Fotos: Miriam Rommel

15.12.2017 / FULDA - Kinderarmut, aber auch die Verarmung der Rentner ist bei der Fuldaer Tafel ein großes Thema. Unter rund 3.800 Menschen, die hier wöchentlich versorgt werden, sind etwa 1.420 Minderjährige. 40 Prozent der Lebensmittel-Empfänger sind Flüchtlinge, darunter einige kinderreiche Familien. Eine weitere große Gruppe stellen die über 65-Jährigen dar, deren Rente eigentlich nicht zum Leben reicht.

Arbeitslosigkeit, geringes Grundeinkommen oder Schicksalsschläge: Die Gründe, um bei der Tafel zu landen, sind vielfältig. Es gibt aber auch Menschen, die das System der mildtätigen Hilfe ausnutzen – dazu später mehr.

Ob Familie oder Einzelperson – bei der Tafel wird jeweils nur ein Berechtigungsausweis ausgestellt. Einen solchen erhält, wer einen entsprechenden Sozialbescheid vorlegen kann. Je nachdem, wie viele berechtigte Personen in einer Familie leben, verteilen die ehrenamtlichen Helfer zwischen zwei und acht Tüten, gefüllt mit Nahrungsmitteln. Um den Bedürftigen das Gefühl der Normalität zu geben, ist der „Einkauf“ nie ganz kostenlos. Egal wie viele Tüten jemand bekommt- es muss ein Obolus von 2,50 Euro erbracht werden.

Obwohl von den rund 3.800 Menschen, die von der Tafel versorgt werden, mittlerweile laut dem ersten Vorsitzenden Wolfgang Arnold rund 40 Prozent Rentner seien, sei Altersarmut nach wie vor ein Thema, was in der Öffentlichkeit weitgehend tabuisiert würde. „Noch ist die Verarmung der Alten nicht so sichtbar, aber es ist ein stetig wachsendes Problem. In zehn Jahren, da bin ich mir sicher, wird das niemand mehr leugnen können.“

Darüber, wie sich die Menschen fühlen, „Tafel-Kunde“ zu sein, würden die wenigsten sprechen, erklärt Arnold. „Wer die Hürde genommen hat und zu uns kommt, redet nicht über Befindlichkeiten. Sieht man den Leuten allerdings ins Gesicht, weiß man, dass kaum jemand gerne hier ist.“

Vielen Hilfesuchenden kann man die Armut schon von weitem ansehen, andere scheinen im ersten Moment nicht in das Bild zu passen, welches einige vielleicht oft von einem Tafelkunden haben. „Natürlich versuchen manche, es sich nicht auf den ersten Blick anmerken zu lassen, was los ist“, erklärt Arnold. Immer öfter käme es allerdings vor, dass es Menschen gäbe, die das Hilfeangebot ausnutzen würden. „Wenn man sieht, dass manche Familien 2.500 Euro Sozialleistungen im Monat bekommen und dann trotzdem noch zu uns kommen, macht einen das wütend.“ Dagegen unternehmen könne man allerdings nichts. „Die Leute haben ja einen Berechtigungsschein von den Ämtern erhalten.“


Doppelt ärgerlich finden das der Vorstand und die Ehrenamtlichen der Tafel: „Zum einen fehlen die Nahrungsmittel dann für die Menschen, die wirklich Hilfe benötigen. Auf der anderen Seite kommen wir auch personell an unsere Grenzen.

Ein Beispiel: In den letzten Jahren wurde immer zur Weihnachtszeit die Spendenaktion „Kinder schenken für Kinder“ von der Tafel initiiert. In diesem Jahr muss die schöne Tradition leider ausfallen. „Obwohl wir noch viele gebrauchte Spielsachen haben, sind wir einfach nicht in der Lage, diese auszusortieren, auszuwählen und einzupacken. Es fehlen einfach die Helfer dafür.“

Das Geld, so berichtet Arnold weiter, würde ebenfalls knapp: „Wir müssen ohne öffentliche Mittel auskommen und die unvermeidlichen Kosten für die Ladenräume, für Benzin und Fuhrpark ausschließlich aus Spenden, Mitgliedsbeiträgen und dem symbolischen Einkaufspreis für die ausgegebenen Lebensmittel finanzieren.“ Seit dem letzten Jahr hätte sich diese Situation auch noch deutlich verschlechtert. „Die Spenden haben sich nahezu halbiert.“ Ehrenamt und Sponsoren könnten die Last so nur noch eine überschaubare Zeit tragen.

„Wir brauchen dringend Spenden und Freiwillige, die uns bei unserer Arbeit helfen." Des Weiteren hofft die Tafel jetzt auf Unterstützung des Sozialminsteriums. „Ansonsten“, so sagt der Vorsitzende betrübt, „kommt bald die Zeit, in der die Möglichkeit der Fuldaer Tafel, Menschen und ihre Familien mit guten Lebensmitteln zu versorgen, stark eingeschränkt sein wird. (Miriam Rommel) +++

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