Diskussion mit drei Experten

Ein höchst kontroverses Thema: "Wie hältst Du's mit Cannabis?"

Gruppenbild vor der Diskussionsveranstaltung: Dr. Wolfgang Dippel, Professor an der Privaten Berufsakademie Fulda, Dr. med. Peter Fehrenbach, Franziska Jordan von der Studien- und Prüfungsorganisation der Berufsakademie, die wissenschaftliche Leiterin Dr. Lisa Feuerstein, Philipp Gärtner ("Green Pioneers" und der ehemalige Staatsanwalt Harry Wilke (von links).
Foto: Rene Kunze

17.06.2023 / FULDA - Es ist ein Thema, das von Jüngeren und Älteren gleichermaßen heftig diskutiert wird: "Wie hältst Du's mit Cannabis"? Denn in Berlin werden aktuell Gesetzesänderungen für eine liberalere Drogenpolitik debattiert, die Ampel-Koalition will unter anderem den Cannabis-Konsum auf eine neue  - legale  - Stufe stellen. Wird das "Kiffen" also bald gesellschaftlich hoffähig oder sollten weiterhin nur medizinische Zwecke im Vordergrund stehen?


Aufklärungsarbeit sollte am Freitagvormittag eine Gesprächsrunde in den Räumlichkeiten des Bildungsunternehmens Dr. Jordan in Fulda leisten. Der Hörsaal war mit Studierenden und Schülern dicht besetzt, die im Vorfeld Fragen erarbeitet hatten, die in der Diskussionsrunde gestellt werden konnten.  

Mit dabei waren Harry Wilke, Staatsanwalt a.D., Philipp Gärtner vom Hanf-Unternehmen "Green Pioneers", und Dr. med. Peter Fehrenbach, Facharzt für Allgemeinmedizin und Anästhesiologie in Fulda.

Während die beiden Erstgenannten ihre Argumente sehr ausführlich präsentierten, trug der Mediziner zum Abschluss der Runde seine Meinung kurz und knapp vor: "Cannabis hilft nicht. Punkt! Im Gegenteil, es ist gefährlich. Punkt!" Fehrenbach lehnt eine Legalisierung strikt ab und warnte die anwesenden Heranwachsenden vor dem Gebrauch. Im Alter bis etwa 25 Jahren drohten als starke Nebenwirkung unter anderem schwere Psychosen: "Für den Rest Ihres Lebens könnten Sie dann Stimmen hören!" 

Hintergrund

Die "Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN)" hatte vor gut einem Jahr als Altersgrenze für den Zugang zu legalem Cannabis ein Alter von 21 Jahren gefordert. Voll ausgereift sei das Gehirn aber erst mit 25 Jahren, so Professor Dieter Braus, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie und Ärztlicher Direktor der Vitus-Kliniken Rheingau. Erst dann sei es relativ robust gegen Einflüsse wie denen von Tetrahydrocannabinol (THC). Wenn also eine Legalisierung von Cannabis angestrebt werde, plädierte er für eine Altersgrenze für den Zugang von 25 Jahren. 

Historische Rückblende

Philipp Gärtner ist eigener Aussage nach seit über vier Jahren in der Hanfbranche tätig und hat gemeinsam mit zwei Freunden das Start-up "Green Pioneers" gegründet (O|N berichtete bereits mehrfach).  In dieser Zeit habe er sehr viel Erfahrung mit dem Ausbau und der Verwendung von Hanf sammeln können. Unter anderem ging Gärtner auf die Heilwirkung ein, die bereits die alten Ägypter genutzt hätten. Das historische Verbot habe seinen Ursprung 1936/1937 in den USA, unter anderem um politische Gegner zu kriminalisieren, aus Lobbygründen und um Machtstrukturen zu sichern.

"Die aktuelle Verbotspolitik verfehlt ihre Ziele", so Gärtner und formulierte unter anderem, "dass sehr viele Menschen kriminalisiert" würden. Er plädierte für einen neuen Ansatz in der Drogenpolitik, "und das kann nur die Legalisierung sein". An Gründen führte er die wachsende Kriminalisierung und den Jugendschutz an, der Markt entziehe sich derzeit jeglicher staatlicher Kontrolle. "Tabuisierung verhindert Aufklärung", betonte Gärtner. Zudem könne ein kontrollierter Markt schützen, da Streckmittel ein hohes Gesundheitsrisiko darstellten. 

Harry Wilke war 28 Jahre lang Staatsanwalt in Fulda und davon 15 Jahre im Dezernat für Betäubungsmittelkriminalität tätig. Er betonte eingangs, mit vielem, was Gärtner gesagt habe, d'accord sein zu können. Im Frühjahr hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) seine Pläne zur teilweisen Legalisierung von Cannabis vorgestellt. Diese beinhalten die kontrollierte Abgabe über Vereine sowie den privaten Eigenanbau von bis zu drei Pflanzen. Im nächsten Schritt wird der Verkauf über lizenzierte Fachgeschäfte in Modellregionen getestet. Generell soll der Besitz von bis zu 25 Gramm zum Eigenbedarf und der Eigenanbau von höchstens drei Pflanzen straffrei werden.

Social-Cannabis-Clubs

Ein Bestandteil der Cannabis-Legalisierung in Deutschland sind dabei die so genannten Social-Cannabis-Clubs. Gemeint sind Anbauvereine, für die strenge Regeln gelten sollen. Dazu Wilke: "Das kann nicht funktionieren, das ist ein totgeborenes Kind". Zudem bemängelte er, dass der Jugendschutz in dem Entwurf gar nicht vorkomme. 

Bei einer abschließenden "Umfrage" unter den anwesenden Studierenden und Schülern war es nur eine Minderheit, die zugab, schon einmal Cannabis konsumiert zu haben. Dazu ergänzend Statistisches, was Philipp Gärtner vorgetragen hatte: So nähmen 4,5 Millionen der Erwachsenen regelmäßig Cannabis, die Dunkelziffer sei sehr hoch.  (Bertram Lenz) +++

↓↓ alle 7 Artikel anzeigen ↓↓

X