Gastronomen geht die Puste aus!

Plant die Bundeskanzlerin die Gaststättenschließung? - "Das wäre hysterisch!"

Ein Bild von März 2020: Ähnlich leer könnte es im Fuldaer Kneipenviertel bald wieder aussehen
Archivfoto: Hendrik Urbin

28.10.2020 / FULDA - Bereits am Mittwoch könnten sich in der Gastronomie wieder sämtlichen Türen schließen: Angesichts der rapide steigenden Corona-Infektionszahlen plant die Bundesregierung um Kanzlerin Angela Merkel (CDU) laut Bild-Informationen einen "Lockdown light". Angeblich will die Führungsspitze erneut alle gastronomischen Betriebe dichtmachen.



Eine solche Entscheidung wäre für viele Gastronomen, aber auch für deren Angestellte, existenzgefährdend. OSTHESSEN|NEWS hat verschiedene Restaurant- Kneipen- und Gaststättenbetreiber gefragt, was sie von einer möglichen Schließung halten.

Marc Zuspann von der Waldgaststätte Praforst bei Hünfeld hält den Merkel-Plan für falsch: "Ein erneuter Lockdown ist für die Gastro-Branche maximal problematisch. Es ist fünf vor Zwölf und die Existenz vieler Betriebe in Gefahr. Eine Schließung werden viele nicht überstehen." Man müsse bei allen Plänen bedenken, dass in der Gastronomie bundesweit rund 20 Mio. Menschen beschäftigt sind. "Ich habe Verständnis, dass die Zügel angezogen werden müssen, aber der Ansatz, den Fehler bei uns Gastronomen zu suchen, ist nicht korrekt."

Christine Herget vom Restaurant Leipziger Hof in Fulda-Lehnerz sagt: "Wir haben uns an alle Hygiene-Vorgaben gehalten und uns einigermaßen vom Lockdown erholt – jetzt sollen wir für steigende Infektionszahlen verantwortlich sein? Flächendeckende Gastro-Schließungen sind der falsche Weg. Kein Ort ist sicherer als ein Restaurant." Die Kapazitäten im Leipziger Hof seien bereits massiv, um 50 Sitzplätze, reduziert. "Mehr geht nicht."

"Wir hatten alles im Griff!"

Dirk Schütrumpf vom Hotel Platzhirsch kann die Diskussion um eine mögliche Schließung nicht nachvollziehen: "Es würde damit alles gefährdet, was wir uns in den letzten zwei Monaten hart erarbeitet haben." Für die gesamten Gastronomie-Branche, meint er, wäre ein erneuter Lockdown schwer zu überstehen. "Natürlich, ich möchte nicht in der Haut der Bundesregierung stecken, denn wir sehen ja, dass die Infektionszahlen stetig steigen. Irgendwas muss also passieren. Die Gastronomie allerdings ist nicht das Problem, wir haben mit den Hygieneplänen alles gut im Griff gehabt."

Familie Tünsmeyer vom Restaurant Goldenen Karpfen hat in den vergangenen Monaten viel Geld investiert, um einen reibungslosen Betrieb in Coronazeiten garantieren zu können. "Wir haben sogar einen Luftfilter eingebaut." Auch wenn die Familie sicher ist, eine erneute Schließung zu überstehen, sei eine solche Entscheidung der Regierung "eine Katastrophe." Aus dem "Elfenbeinturm der Regierung" heraus würden Maßnahmen beschlossen, deren Wirksamkeit nicht einmal bestätigt seien. "Und damit werden dann Existenzen gefährdet. Das ist einfach brutal – für uns, für die Mitarbeiter, aber auch für unsere Gäste."

Auch Alexander Koch von der Hessenmühle in Großenlüder hat kein Verständnis. "Wir praktizieren mit Vorbild und man sieht, die Konzepte in der Gastronomie funktionieren. Warum wird unsere Branche also so behandelt? Wir tragen nicht die Schuld an den steigenden Fallzahlen! Eher sollte sich die Regierung beispielsweise um die Clan-Feiern kümmern und nicht uns für etwas abstrafen, was wir nicht zu verantworten haben."

"Brauchen klare Lösungsansätze von der Politik"

Swen Bachmann, Hopfenglück und Doppeldecker in Fulda: "Ich könnte es verstehen, wenn alles für vier bis sechs Wochen dichtgemacht würde und nur beispielsweise Apotheken, Ärzte und Lebensmittelmärkte geöffnet hätten. Dann müssten aber auch tatsächlich Strafen für diejenigen verhängt werden, die sich nicht an die Regeln halten!" Nur die Gastronomie zu schließen, sei keine Lösung, sagt er. "Wie haben uns an alle Vorgaben gehalten, in unserer Branche gab es keine größeren Corona-Ausbrüche. Die waren eher in Großbetrieben oder bei privaten Festen zu finden." Sollten Restaurants und Kneipen nun wieder schließen müssen, befürchtet Bachmann eine Verlagerung der Feiern in den privaten Bereich. "Die Infektionszahlen bekommen wir damit ganz sicher nicht in den Griff."

Von der Politik erwartet der Gastronom nun endgültig klare Ansagen: "Wir stehen vor gleich mehreren Problemen: Die Angestellten in unserer Branche müssen eventuell wieder in die Kurzarbeit. Irgendwann haben die darauf einfach keine Lust mehr und suchen sich einen anderen Job. Das allerdings würde für uns wieder einen Fachkräftemangel bedeuten." Außerdem, betont er, müsse die Kostenfrage endlich geklärt werden. "Die Politik kann uns doch nicht regelmäßig den Laden schließen und dann keine Erklärung dafür haben, wie wir die laufenden Kosten überhaupt decken sollen. Das muss sich schnellstens ändern."

"Sollte das Verbot kommen, klagen wir!"

"Wir waren gestern absolut geschockt, als wir erfahren haben, dass die Kanzlerin einen solchen Schritt überhaupt in Erwägung zieht", meint Fuldas DEHOGA (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband)-Vorstand Steffen Ackermann. "Eine solche Entscheidung wäre hysterisch und panisch, sicher aber nicht gerechtfertigt." Viele Gastronomen, erzählt der Vorstand, seien mittlerweile hilf- und hoffnungslos. ""Wir haben nun fünf volle kalte Monate vor uns, viele meiner Kollegen würden aber nicht mal mehr vier Wochen Schließung überstehen." Auch er habe großes Verständnis für die Bundesregierung, allerdings müssten die Entscheidungen verhältnismäßig sein: "Ich sehe ein, dass etwas passieren muss. Sollte es allerdings tatsächlich wieder uns treffen, kann sich die Politik auf eine große Klagewelle aus unserer Branche einstellen." (Christian P. Stadtfeld / Miriam Rommel) +++

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