Studis und Eltern wollen Normalbetrieb

Prof. Karim Khakzar: "Auch im Wintersemester kein Präsenzbetrieb möglich"

Hochschulpräsident Prof. Karim Khakzar
Fotos: Jonas Wenzel (Yowe)

04.07.2020 / FULDA - "Die Pizzeria hat längst wieder geöffnet. Warum kann die Hochschule Fulda nicht auch endlich wieder aufmachen?" Solche Anfragen stapeln sich gerade im Postfach des Fuldaer Hochschulpräsidenten Prof. Karim Khakzar. Studierende wollen zurück auf "ihren" Campus und vermissen den direkten Austausch mit ihren Kommilitonen und Professoren. Und auch Eltern wenden sich an die Hochschule und fordern, den Normalbetrieb sofort wieder aufzunehmen.


"Wir haben den Präsenz-Lehrbetrieb nicht aus freien Stücken eingestellt", stellt Prof. Khakzar klar. Mitte April verlegte die Hochschule Fulda die Lehrveranstaltungen wegen der Corona-Pandemie vom Campus in die digitale Welt. Nach den Prüfungen, die zum Teil noch unter besonderen Auflagen stattgefunden hätten, gab es zunächst keine Präsenzlehre mehr auf dem Campus. Übungen in den Laboren wurden auf das Semesterende verschoben. "Wir haben den Lehrbetrieb mit einem gigantischen Aufwand völlig umgekrempelt und hunderte von Veranstaltungen auf Online-Formate umgestellt", erklärt der Hochschulpräsident. "Es gab auch Hochschulvertreter in Deutschland, die haben Unterschriften gesammelt, damit das Semester ausfällt oder einfach nicht gezählt wird. Wir wollten alles daransetzen, dass unsere Studierenden keine Zeit verlieren und keine Nachteile durch die Corona Pandemie erfahren."

Die wenigsten waren auf eine so plötzliche Umstellung der Lehre vorbereitet. Natürlich sei nicht alles sofort perfekt gelungen. "Wir mussten dazulernen, und es brauchte einige Zeit, bis sich unser Lehrbetrieb zurechtgerüttelt hat", sagt der Präsident. Aber insgesamt laufe es überraschend reibungslos. Die Inhalte werden digital übermittelt, es gibt Übungsaufgaben und die Hochschule hat kurzfristig ein Videokonferenz-Tool angeschafft, das nicht nur für die Lehre, sondern auch den Studierenden zur Verfügung steht.

Inzwischen finden Lehrveranstaltungen, Labor-Übungen und Forschungsarbeiten, die online oder zu Hause nicht möglich sind, auch wieder auf dem Campus statt. In den Fächern, in denen zum Beispiel Laborarbeit oder Übungen am Menschen unabdingbar seien wie bei Hebammen und Physiotherapeuten, den Lebensmitteltechnologen und in der Elektrotechnik, werde das in kleinen Gruppen unter strengen Auflagen ermöglicht. Natürlich sei diese Umstellung mit großen Anstrengungen verbunden - vonseiten der Hochschule, aber auch den Studierenden werde einiges abverlangt. "Sie müssen sich jetzt selber managen und motivieren, das empfinden viele als sehr schwierig und teils belastend", berichtet der Präsident.



"Es gibt keine Alternative" - Wintersemester im selben digitalen Modus

Aus der Hochschulrektorenkonferenz, in der die Präsidenten aller deutschen Hochschulen vertreten sind, weiß Prof. Khakzar, dass es seinen Kollegen in den anderen Bundesländern ebenso geht wie ihm. "Alle haben dieselben Probleme. Da gibt es böse Briefe, es werden Verschwörungstheorien gebastelt, Petitionen aufgesetzt und Unterschriften für den Normalbetrieb gesammelt", berichtet er. Dass die vorhandenen Räume der Hochschule nicht ausreichen, um die vom Robert-Koch-Institut vorgegebenen Abstandsregeln bei einer normalen Vorlesung umzusetzen, machten sich die Kritiker häufig nicht klar.

"Wir wünschen uns wie auch die Studierenden nichts mehr, als schnell wieder zu normalen Umständen zurückkehren zu können, dass die Lehre und Begegnungen wieder auf dem Campus stattfinden." Doch unter den gegebenen Umständen sei das weder praktikabel noch verantwortbar. Mit 9.000 bis 10.000 Hochschulangehörigen ließen sich die Hygiene- und Abstandsregelungen nicht einhalten. "Da reicht nicht mal unsere große Halle 8." Deshalb muss auch das komplette Wintersemester vorwiegend im digitalen Modus stattfinden wie schon das Sommersemester, konstatiert der Präsident. Alle Hochschulen in Hessen hätten das bereits jetzt kommuniziert. "Das ist bitter, aber es gibt derzeit leider keine Alternative."

Kein Lautsprecher

Hochschulpräsident Prof. Dr. Karim Khakzar, der gerade einstimmig für die nächsten sechs Jahre im Amt bestätigt wurde, zeichnet sich weder durch Lautsprecherei noch durch gezielte Eigenwerbung aus. Erfolgreich ist er trotzdem: unter seiner Ägide ist die Zahl der Studierenden seit 2008 kontinuierlich gewachsen und schrammt gerade knapp an die 10.000er Marke. 22 neue Professuren stehen aus, damit der Betreuungsschlüssel verbessert wird, und das Studienangebot hat sich um 43 neue Studiengänge erweitert. Die Hochschule Fulda gehört mittlerweile zu den gefragten Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in Deutschland. Sicher auch, weil sie nicht auf Corona gewartet hat, um sich mit digitaler Lehre zu beschäftigen. (Carla Ihle-Becker)+++





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