Prof. Haubitz ist entschieden
Abstimmung zur Organspende: Widerspruchs- oder Entscheidungslösung?
Symbolbild
16.01.2020 / REGION -
Am Donnerstag stimmt der Bundestag über die künftige Regelung von Organspenden ab. Die von Gesundheitsminister Jens Spahn und einer fraktionsübergreifenden Abgeordnetengruppe favorisierte Widerspruchslösung sieht vor, dass jeder nach dem Hirntod automatisch zum Organspender wird, wenn er zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widersprochen hat und die Angehörigen keine andere Willensbekundung kennen. Die Gegner dieser Regelung kritisieren, das setze auf die Trägheit oder Entscheidungsunfähigkeit der Menschen, und plädieren für die sogenannte Entscheidungslösung, die eine Organentnahme nur nach ausdrücklicher Zustimmung des Spenders erlaubt.
Dazu eine hypothetische Frage: wenn Sie ernsthaft erkranken und nur eine Organspende könnte noch Ihr Leben retten, würden Sie das in Anspruch nehmen? Laut einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bejahen diese Frage neun von zehn befragten Bundesbürgern. Doch wie verhält es sich umgekehrt, wenn es darum geht, nach dem Tod selbst eine Lunge, Leber oder Niere für andere zu spenden? Das befürworten immerhin über 80 Prozent der Bundesbürger. Eigentlich logisch: wenn ich selbst etwas beanspruche, sollte ich solidarisch genug sein, dasselbe Recht auch anderen einzuräumen. Doch wie allgemein bekannt, mangelt es in Deutschland an Spenderorganen, die Wartelisten der Bedürftigen sind viel zu lang.
"Sollte so selbstverständlich werden wie Blutspenden"
Eine klare Entscheidung für oder gegen die Organspende bedeute auch für die Angehörigen eine große Erleichterung. "Wir Ärzte müssen sie ja in einer sowieso schon sehr belastenden Situation mit dieser Frage behelligen", weiß Prof. Haubitz. Häufig verweigerten sie ihre Zustimmung zur Organentnahme aus Überforderung, Angst und Unsicherheit. Wie viel leichter sei es, wenn der Betreffende sich zu Lebzeiten eindeutig dazu positioniert hat. Die Spezialistin für Nierentransplantation betont, dass Zweifel und Ängste der Angehörigen unbegründet seien. "Die vorgeschriebenen zwei unabhängigen Experten, die den Hirntod befunden, haben mit der Transplantation nichts zu tun." Wichtig sei auch, dass die Ärzte genügend Zeit für intensive Gespräche haben. "Ich habe dabei oft erfahren, dass das Wissen über die Organspende für die Hinterbliebenen auch einen gewissen Trost bedeutet", sagt die Medizinerin. Sie hofft, dass sich die Befürworter der Widerspruchslösung durchsetzen. (Carla Ihle-Becker) +++
Foto: Klinikum Fulda