Flüchtlingskonferenz „Kirche im Aufbruch??

Arbeit mit und für Geflüchtete – jetzt und in Zukunft



19.02.2017 / VOGELSBERG - Aktuell gibt es rund 224 von der Evangelischen Kirche Kurhessen-Nassau (EKHN) und der Evangelischen Kirche Kurhessen-Waldeck (EKKW) bezuschusste Projekte zur Förderung der Willkommenskultur in Gemeinden und Dekanaten. Gemeinsam mit der Diakonie Hessen finanzieren die beiden Kirchen sowohl hauptamtliche Stellen im Bereich der Beratung und Koordination als auch viele ehrenamtliche Projekte mit insgesamt 4 Millionen Euro. Anfang Februar fand gab nun erstmals eine Flüchtlingskonferenz der EKHN im Frankfurter Dominikanerkloster unter dem Motto „Kirche im Aufbruch“ Aufschluss über 50 Projekte aus 20 Regionen der EKHN, in die die Gelder geflossen sind, und bot außerdem Gelegenheit zum fachlichen Austausch wie zu einem gemeinsamen Ausblick.



Mit dabei: fünf Vertreterinnen und Vertreter der Evangelischen Dekanate Alsfeld und Lauterbach sowie des Diakonischen Werks Vogelsberg. Birgit Ebert, Martina Heide-Ermel, Ralf Müller, Traudi Schlitt und Franziska Wallenta präsentierten an ihrem Stand die Projekte ihrer Region, darunter beispielsweise die Fahrradwerkstatt in Romrod-Zell, das Deutsch-Training in Groß-Felda, das One World Orchestra in Lauterbach oder die Interkulturelle Mutter-Kind-Spielgruppe in Alsfeld. Auf große Resonanz stießen unter den mehr als 350 Teilnehmern aus ganz Hessen auch die weiteren Aktivitäten der Vogelsberger wie die Planung und Durchführung von Demonstrationen – wie zuletzt gegen die Abschiebungen nach Afghanistan – oder der Betrieb eines Pools an ehrenamtlichen Übersetzerinnen und Übersetzern, der seit Juli letzten Jahres am Start ist und über den bereits knapp hundert Einsätze vermittelt werden konnten.

Prominente Gäste der Veranstaltung waren u. a. Kirchenpräsident Dr. Volker Jung, der Diakonie-Vorsitzende Horst Rühl, die rheinland-pfälzische Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz Anne Spiegel, der hessische Staatsminister Axel Wintermeyer, die stellvertretende Präses der Synode Dr. Susanne Bei der Wieden sowie die stellvertretende Kirchenpräsidentin Ulrike Scherf.

Als ein deutliches Signal der Humanität bezeichnete Dr. Volker Jung in seiner Begrüßung das Engagement für Ausgeschlossene und Geflohene. Migration und Flucht seien weltweite Themen, die nicht durch den Bau von Grenzzäunen gelöst werden könnten, so der Kirchenpräsident in seiner Ansprache. Deutschland müsse offen und aufnahmebereit bleiben, forderte er, Kirche müsse mit Politik um einen gemeinsamen Weg ringen. Menschen in Not zu helfen, sei Christen ans Herz gelegt. Für die Integration derer, die bleiben wollten, brauche es jetzt viele Menschen, die sich nicht Angst machen ließen, schloss Dr. Jung seine Rede.
„Als Diakonie und Evangelische Kirche stehen wir mitten in der Gesellschaft“, befand Dr. Susanne Bei der Wieden.

Neben der Bereitstellung finanzieller Mittel für die Arbeit mit Geflüchteten sah sie auch die Bekämpfung von Fluchtursachen als ein wichtiges Handlungsfeld der Kirchen an; ganz deutlich sprach sie sich in diesem Zusammenhang gegen Waffenlieferungen aus. Axel Wintermeyer unterstrich in seiner Ansprache die Bedeutung des ehrenamtlichen Engagements in der Flüchtlingsarbeit. Ohne dieses könnten die großen Herausforderungen nicht gelingen. Auch das Land Hessen habe mit einer Summe von 1,6 Milliarden Euro im Jahr 2016 das ehrenamtliche Engagement gefördert. Als Ziel für die kommenden Jahre nannte der Staatssekretär die Integration der Geflüchteten in die Systeme bürgerschaftlichen Engagements. „Das Ankommen nach dem Herkommen ist eine Herkulesaufgabe.“ Gleichzeitig warnte Wintermeyer vor einer Spaltung der Gesellschaft und betonte, dass man populistischen Angstmachern gemeinsam entgegentreten müsse.

„Engagement für Geflüchtete ist ein Einsatz in keinen einfachen Zeiten“, brachte Anne Spiegel es schließlich auf den Punkt. Auch Politik stehe den Ereignissen oft ratlos gegenüber. Das Engagement gerade jetzt weiterzuführen, sei Ausdruck von Demokratie und ihren Werten, so die Ministerin, die darauf hinwies, dass Deutschland stets durch Einwanderung geprägt gewesen sei. Nun heiße es mit einem langen Atem am Prozess der Integration mitzuarbeiten.
Nachdem der Vormittag im Dominikanerkloster – musikalisch übrigens eingerahmt von Musikern des Lauterbacher One World Orchestra – für alle Beteiligten einen Marktplatz der Möglichkeiten, der Ideen und des Austauschs bot, hatten die Anwesenden am Nachmittag die Möglichkeit, ein Thema ihrer Wahl zu vertiefen – fachkundig moderiert und ergebnisorientiert.

Zur Wahl standen die übergeordneten Bereiche „Integration“, „Konflikte“, „Partizipation“, „Grenzen“, „Vernetzung“ und „Selbstvergewisserung“. In allen Diskussionen wurde deutlich, was die betroffenen Personen – seien es Hauptamtliche, freiwillige Flüchtlingsbegleiter oder die Geflüchteten selbst – an Erfahrungen gesammelt haben und was sie daraus resultierend für eine gelingende Integration als nötige Veränderungen erachten.

Die einzelnen Ergebnisse wurden in einem Abschlussplenum festgehalten. Trotz der vielen Ideen, Denkanstöße und Erfolge der Vergangenheit war an diesem Tag aber auch deutlich geworden, was am Ende Pfarrer Andreas Lipsch, Bereichsleiter FIAM (Themenfeld Flucht, Interkulturelle Arbeit, Migration) der EKHN in die Waagschale legte: Auch wenn sich zu einem Anlass wie diesem alle Anwesenden einig seien, seien die Welt und auch die nahe Umgebung rauer geworden. Es werde viel Standhaftigkeit vonnöten sein, um weiterhin engagiert für das Wohl geflüchteter Menschen einzutreten."



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