IHK-Neujahrsempfang (1)

"Bescheiden, sympathisch und offen" - Bahnchef Grube mit unglaublicher Dynamik


Fotos: Julius Böhm

22.01.2017 / FULDA - "Ein Wirtschaftsmagazin hat vor kurzem den Job des Bahnchefs als den möglicherweise schwierigsten Managementposten in ganz Deutschland beschrieben. Auf der einen Seite die Vorstellungen der Politik und die Notwendigkeit, den öffentlichen Haushalt so wenig wie möglich zu belasten, auf der anderen Seite die zig Millionen Kunden mit ihren jeweils eigenen Vorstellungen", würdigte IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Schunck den Gastredner beim diesjährigen Neujahrsempfang im Fuldaer Schlosstheater. Bahnchef Dr. Rüdiger Grube war mit der Bahn nach Fulda gekommen, etwas anderes hätte man von ihm auch nicht erwartet - und der Zug war pünktlich. 



Im ON-Interview verriet er, dass er eine Modelleisenbahn besitzt und was aktuell aus der geworden ist. Natürlich darf er in "seiner" Bahn kostenlos fahren, besitzt aber ein entsprechendes Ticket, das er dem Schaffner auch zeigt, obwohl die allermeisten ihn natürlich erkennen und abwinken. Was aber sicher kaum jemand ahnt, schien Dr. Grube eine Selbstverständlichkeit zu sein: wenn die Züge voll sind, haben alle Bahnmitarbeiter die Verpflichtung aufzustehen und die Kunden sitzen zu lassen. Und das tut der Vorstandschef Grube auch - "selbstverständlich", sagt er.

Bescheiden, sympathisch und offen ist der erste persönliche Eindruck, den er vermittelt. Aber als er nach IHK-Präsident Bernhard Juchheim vor den 800 Gästen ans Rednerpult tritt und sein Impulsreferat beginnt, entwickelt er eine unglaubliche Rasanz und Dynamik: vor den Augen und Ohren der fast atemlosen Zuhörer entwirft Grube die Welt der Deutschen Bahn AG - so wie sie ist - und so wie er sie haben will. Natürlich klafft zwischen Ist-und Sollzustand noch eine gehörige Lücke. Doch wenn man dem 65-Jährigen zuhört, der natürlich vollkommen frei spricht und alle Zahlen im Kopf hat, wird sie merklich kleiner. Seine wichtigste Botschaft lautet, dass all der technische Fortschritt mit seinen ungeahnten Möglichkeiten nur dann zum Wohl des Unternehmens und seiner Kunden eingesetzt werden kann, wenn man die Mitarbeiter auf dem Weg dieser Veränderung aktiv mitnimmt: "Menschen sind eben Menschen" konstatiert der Manager.

"Fortschritt ist nämlich keine Bedrohung, sondern der Motor, der ein Unternehmen im Wettbewerb halten kann", mahnt Grube, "wer sich ständig anpasst, wer flink und schnell ist, wird überleben." Nicht umsonst stünde auf dem Google-Campus in Kalifornien ein Dinosaurier in Lebensgröße. "Ich habe Gründer Larry Page gefragt, was es damit auf sich hat. Der Dino soll allen Mitarbeitern zeigen: Die Großen sterben aus." Auch für IHK-Präsident Bernhard Juchheim ist die Digitalisierung eine Riesenherausforderung der Wirtschaft. 

Bahnchef Grube griff diesen Punkt auf: "Wir stecken in der größten Revolution, seit die Bahn 1994 zu einem Wirtschaftsunternehmen wurde. Jeder hat ein Smartphone und die Welt vernetzt sich, die Bevölkerung wächst und will mehr denn je in die Stadt und die Generation Y will nicht mehr Auto fahren - lieber benutzen statt besitzen, heißt das Motto." Alles Prozesse und Entwicklungen, auf die die Wirtschaft reagieren muss, um im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben. "Die Chinesen zum Beispiel sind lange nicht mehr die Kopierweltmeister. Dort kommen viele Innovationen her. In China beenden jedes Jahr so viele IT-Studenten ihr Studium, wie es auf der Welt IT-Studenten gibt."

Die "alte", aktuelle Welt ist zu langsam für die vielen Startup-Unternehmen der Digitalisierung. Grube selbst hat bei der Bahn rund eine Milliarde Euro in die Hand genommen, um den digitalen Austausch mit dem Kunden zu verbessern - quasi die Weichen auf Digitalisierung zu stellen. "Diesen Spruch: 'Ich bin jetzt in der Bahn, ich rufe später zurück' kann ich nicht mehr hören. Das darf nicht sein. Noch schlimmer: 'Der Zug fährt in umgekehrter Wagenreihung ein' - zum Kotzen" was großes Gelächter im Publikum auslöste. In naher Zukunft sollen alle Informationen live in der Bahn-App und auf der Anzeigetafel stehen. Durch IT lassen sich Prozesse verbessern und so auch die Qualität steigern."

Die Dreiviertelstunde, die Grube beim größten Wirtschatfstreffen der Region sprach, verging wie im Flug. Gefühlt hatte sie den Informationsgehalt eines dreistündigen Vortrag. Aber ohne Langeweile oder Übersättigung. Grube gab viele Anstöße, die die rund 800 geladenen Gäste der IHK beim "Netzwerken" am Abend zum Thema machen konnten. Die eigentliche Quintessenz des Neujahrsempfang ist nämlich das Get-Together bei Fingerfood und einem Kaltgetränk. Wobei Dr. Rüdiger Grube der Fuldaer Society etwas die Show stahl. Aber dennoch: "Zwischen Wirtschaft und Politik und auch innerhalb der Wirtschaft herrscht in dieser Region ein Vertrauen, das mittlerweile zum Standortfaktor geworden ist", sagt Stefan Schunck. Und damit hat der IHK-Hauptgeschäftsführer ganz sicher recht. (Carla Ihle-Becker / Julius Böhm) +++

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