Schön ist nicht gleich schön

Erol SANDER liest "Das Bildnis des Dorian Gray" in der Stiftsruine

Er selbst ist bei den Frauen auch aufgrund seines Aussehens sehr beliebt: Erol Sander reflektierte am Freitag über die wahre Schönheit

27.08.2016 / BAD HERSFELD - Schönheit, eine abstrakte Größe und fast so individuell wie der Mensch selbst. Jeder hat seine Vorstellung von ihr, sie wird geprägt von Zeitgeist, Kultur und Raum. Der Mensch entwickelt zunehmend Möglichkeiten, sich selbst seinem Ideal näher zu bringen und vor allem zu erhalten. Mit "Das Bildnis des Dorian Gray" veröffentlichte Oscar Wilde 1890/91 ein Werk, das eben dieses menschliche Streben behandelt und zum Skandal wurde. Es zeigt die dunkle Seite des Strebens nach ewiger Schönheit und Jugend, fantasiert, erschreckt und führt letztlich den schönen Titelcharakter Dorian Gray in den Selbstmord.Erol Sander liest aus dem Klassiker. Bekannt ist er neben seinen schauspielerischen Leistungen vor allem als Model. Die vielen weiblichen Fans in der Stiftsruine am Freitagabend mochten es bestätigen: auch Erol Sander ist einer dieser schönen Männer. Schön. Doch nicht unreflektiert, nicht offensichtlich süchtig danach, für immer ein Idealbild zu bleiben, wie sich am Ende der Lesung zeigen soll. Sander liest Sequenzen aus "Das Bildnis des Dorian Gray", führt logisch und mit starkem Fokus auf das wahre Gesicht des Menschen und der Figur Dorian Gray durch das Werk. Zwischen seinen Passagen werden Einspieler aus dem gleichnamigen Film gezeigt. Sie erheben das Gelesene auf eine weitere emotionale Ebene, steigern die Spannung und auch das Grauen.Zwischen düsteren, intensiven Bildern liest Sander mit tiefer, ruhiger Stimme. Er ist unaufgeregt, der schöne Mann am schwarzen Pult. Ganz dezent, ganz in seiner Erzählung versunken. Er erzählt die Geschichte des Malers Basil Ward, der ein Gemälde des jungen schönen Dorian Gray fertigt. Dorian ist betrübt, als er seinem Abbild ins Gesicht blickt. Er wünscht, er könnte für immer jung und schön bleiben und nur sein Bild an seiner Stelle altern. Der Wunsch geht in Erfüllung und damit beginnt der wahre Konflikt der Geschichte. Dorian ist äußerlich schön, doch ist es sein Handeln nicht immer. Jede Sünde, jede Verfehlung zeichnet sich in dem Gesicht auf dem Gemälde ab. So lang, bis er den Anblick und seine eigene, ihm immer wieder durch das Bild vorgeführte Schuld, nicht mehr erträgt. Er tötet das schöne, aber eigentlich falsche Selbst und stirbt mit der Hässlichkeit, die er selbst durch sein Handeln geschaffen hat. Ehrlich und düster hält das Werk auch der heutigen Gesellschaft den Spiegel vor und lässt fragen: Wo liegt die wahre Schönheit - wie viel hat das Äußere mit ihr zutun?Wilde zeigt, dass die äußere Hülle unsere Missetaten nur bedingt verbergen kann. Glücklich jedenfalls macht sie allein nicht. Am Ende der Lesung verlässt Erol Sander die Bühne. Wortwörtlich im Vorbeigehen entzündet er, parallel zum Filmeinspieler in dem das Bildnis Dorian Grays verbrennt, sein eigenes Bildnis, das von einem Stativ aus stumm das Publikum beobachtet hatte. Er hinterlässt Nachdenklichkeit und lässt viele Ideale plötzlich fragwürdig erscheinen. Das Publikum dankt mit kräftigem Applaus. (Sabrina Ilona Teufel) +++

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