Mit Schnupfen in die Notaufnahme!

Wird KLINIKUM missbraucht? - MENZEL: "Bei uns wird kein Patient gefährdet"

Notfälle gehören in die Notaufnahme des Klinikums.
Alle Fotos: Hendrik Urbin

11.07.2015 / FULDA - Die Zentrale Notaufnahme am Klinikum Fulda platzt aus allen Nähten. "Das ist kein Fuldaer Problem, sondern bundesweit ein Thema", stellt Klinik-Vorstand Privat-Dozent Dr. Thomas Menzel im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS klar. Die Problematik sei bekannt und man reagiere auch. In manchen Fällen seien dem Klinikum aber die Hände gebunden. "Wir sind kein Ersatz für die Hausarzt-Praxis", sagt Menzel. Die interdisziplinäre 24 Stunden Anlaufstelle werde missbraucht. "Herzinfarkte, Schlaganfälle oder schwere Unfälle gehören in die Notaufnahme, nicht aber Schnupfen oder Rückenschmerzen." Das Klinikum sei kein Auffangbecken für solche Lappalien - "jeder zweite Patient muss zum Haus- oder Facharzt." Dort seien die Termine aber begehrt und man müsse mehrere Wochen warten. Die Notaufnahme wecke deshalb Begehrlich-keiten, vor allem am Wochenende oder in der Nacht.


Das osthessische Krankenhaus der Maximalversorgung (1.000 Betten) muss die jahrelangen Fehler der Gesundheitspolitik auf Bundesebene ausbaden. Die Gründe für die volle Notaufnahme liegen auf der Hand: die Patienten sind verwöhnt - sie gehen wegen Kleinigkeiten in die Notaufnahme, ganz nach der Mentalität "das steht mir zu". So kommt es auch mal zu Wartezeiten von 14 Stunden und mehr - aber nicht ohne Behandlung. Innerhalb von zehn Minuten werde jeder Patient von einem sogenannten Koordinator - ein Fachkrankenpfleger mit langjähriger Erfahrung in der Notfallmedizin - gesichtet. Er entscheidet darüber, wie schnell ein Patient einen Arzt benötigt. Andere Krankenhäuser in der Region - wie das Herz-Jesu-Krankenhaus, die Heilos-Klinik Hünfeld oder auch die Main-Kinzig-Klinik in Schlüchtern - haben es leichter. Sie können ihre Notaufnahme abmelden und die Patienten weiter ins Klinikum schicken.

Ins Rollen brachte die öffentliche Diskussion Mario Klotzsche, FDP-Fraktionschef im Kreistag. Er spricht von "unhaltbaren Zuständen" in der Notaufnahme, hat sich aber offensichtlich nicht mit der bundesweiten Problematik beschäftigt. Auch die Klinik-Leitung wehrt sich: "Unser medizinisches Team macht einen tollen Job. Es kann nicht sein, dass ein bundesweites Problem auf dem Rücken unserer Mitarbeiter ausgetragen wird." Auch Aufsichtsrats-Chef und Oberbürgermeister Gerhard Möller (CDU) ist erbost und sauer. Er machte im O|N-Gespräch deutlich: "Kritik gibt es immer, und sie muss auch sein. Wir müssen aber verantwortlich mit diesem Thema umgehen. Es eignet sich nicht um politische Schlagzeilen zu erzeugen. Klinik-Leitung und Aufsichtsrat haben sich schon lange diesem Thema angenommen." Wenn man diese Debatte führen müsse, dann verantwortlich, so der OB.

"Wir haben einen klaren Versorgungsauftrag und behandeln alle Patienten. Bei uns wird niemand gefährdet oder weggeschickt", versichert der Vorstandschef. 3.600 Patienten aus allen osthessischen Landkreisen nutzen monatlich das Angebot der Zentralen Notaufnahme. Jeder Patient bekommt eine Rundumversorgung wie Blutbild, EKG oder Computertomografie. Darauf müssen Patienten in Praxen meist wochenlang warten. Das Krankenhaus bekomme diese Leistungen aber nicht ausreichend vergütet. "Wir machen pro Jahr in der Notaufnahme ein Minus von fast 2 Millionen Euro um die laufenden Kosten stemmen zu können." Eine Notaufnahme sei keine Arztpraxis, sondern ein Ort der Maximalmedizin, ausgestattet mit teuren Geräten und Ärzten aller Fachdisziplinen.

Abhilfe für die räumliche Enge soll in Fulda auch der Neubau des OP- und Notfallzentrums schaffen. "Die Weichen sind gestellt. Im Jahr 2009 wurde die Notaufnahme geplant für ein Aufkommen von 1.800 Patienten pro Monat. Heute behandeln wir die doppelte Anzahl." Die Finanzierung steht, im September soll der Beton für den Neubau fließen. Mit der Fertigstellung ist 2018 zu rechnen. (Christian P. Stadtfeld). +++

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